Leber

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Lebererkrankungen komplizieren etwa 5 % aller Schwangerschaften. Da nicht adäquat diagnostizierte und therapierte Lebererkrankungen für Mutter und Kind schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen können, ist in der Schwangerschaft eine strukturierte und zuverlässige Abklärung wichtig.

Physiologische Veränderungen der Leberwerte:
Die adäquate Interpretation hepatologisch (die Leber betreffender) relevanter biochemischer Laborparameter als Voraussetzung der korrekten ursächlichen und prognostischen Einordnung der Lebererkrankungen in der Schwangerschaft weist durch schwangerschaftsphysiologische Veränderungen spezifische Charakteristika auf. Die Leberwerte im engeren Sinne (GOT/GPT) sowie die Gamma-Glutamyltransferase (γ-GT) und das Serumbilirubin bleiben grundsätzlich in der Schwangerschaft im Normbereich. Dies bedeutet, dass jede Erhöhung dieser Parameter, die in etwa 5 % aller Schwangerschaften beobachtet wird, eine differenzialdiagnostische Abklärung nach sich ziehen sollte. Im Gegensatz dazu steigt die alkalische Phosphatase (AP) zum Ende der Schwangerschaft durch vermehrte Sekretion des Mutterkuchens oft deutlich an (sogenanntes plazentares Isoenzym). Die wichtigsten für die Einschätzung der Leberfunktion relevanten schwangerschaftsphysiologischen Veränderungen zeigt Tabelle 1.
Tabelle 1: Schwangerschaftsphysiologische Veränderungen von Laborwerten, die der Abschätzung der Leberfunktion dienen

Physiologisch erhöht:

Physiologisch reduziert:

Keine Veränderungen:

AP

α-Fetoprotein

Cholesterin

Triglyzeride

Leukozyten

Fibrinogen

Hämoglobin

Albumin

Kreatinin

Harnstoff

GOT und GPT

γ-GT

Bilirubin

INR

Lebererkrankungen in der Schwangerschaft:
Bei bis zu 5 % aller Schwangerschaften muss mit dem Auftreten einer Leberwerterhöhung gerechnet werden. Bewährt hat sich die folgende Kategorisierung von Lebererkrankungen in der Schwangerschaft:

1. Schwangerschaftsspezifische Lebererkrankungen (ursächlich durch Schwangerschaft ausgelöst):
  • Intrahepatische Schwangerschaftscholestase
  • Akute Schwangerschaftsfettleber
  • HELLP-Syndrom
  • Leberbeteiligung bei Präeklampsie/Eklampsie
  • Leberbeteiligung bei Hyperemesis gravidarum

2. Auswahl koinzidenter hepatobiliärer Erkrankungen (zufällig in der Schwangerschaft auftretend):
  • Cholelithiasis
  • Akute Virushepatitiden
  • Medikamentös-toxische Hepatopathien
  • Bakterielle Erkrankungen
  • Budd-Chiari-Syndrom

3. Auswahl präexistenter hepatobiliärer Erkrankungen (vorbestehend):
  • Chronische Virushepatitiden
  • Primär biliäre Zirrhose
  • Autoimmunhepatitiden
  • Leberzirrhose/portale Hypertonie
Aufgrund der spezifischen Mechanismen der Krankheitsentstehung und der erforderlichen Kenntnisse zur Vermeidung möglicher Komplikationen kommt den schwangerschafts-spezifischen Lebererkrankungen eine große Bedeutung zu. Diese werden durch die Schwangerschaft selbst ausgelöst und treten in der Regel in typischen Schwangerschaftsstadien auf (Abb. 1).
Abb. 1 Ursachen eines Ikterus in Abhängigkeit vom Schwangerschaftsalter, Prozentangaben in Klammern. ICP: Intrahepatische Schwangerschaftscholestase; HG: Hyperemesis gravidarum; AFLP: Akute Schwangerschaftsfettleber

Diagnostik:
Bei jeder schwangeren Patientin mit erhöhten Leberwerten oder Juckreiz bzw. Auftreten von Oberbauchschmerzen, insbesondere in der Spätschwangerschaft, ist eine hepatologische Diagnostik indiziert.

Sollte im Rahmen des routinemäßig empfohlenen Hepatitis-B-Virus-(HBV-)Screenings einer Schwangeren ein Nachweis von Hepatitis-B-Surface-(HBs-)Antigen zu erbringen sein, ist gleichfalls eine weiterführende spezifische Diagnostik notwendig.

Neben der entsprechenden laborchemischen Diagnostik kommt der Anamnese, insbesondere mit Blick auf vorausgegangene Schwangerschaften, auf die Familienanamnese und medikamentös-toxische Ursachen der Lebererkrankung, eine besondere Bedeutung zu.

Die umfangreiche laborchemische Differenzialdiagnostik zielt v. a. auf den Ausschluss bzw. Nachweis von bisher nicht erkannten präexistenten oder koinzidenten Hepatopathien.

Ferner sollte grundsätzlich eine Oberbauchssonografie zur Bewertung etwaiger Leberparenchymveränderungen und möglicher Gallensteine erfolgen. Die häufig noch durchgeführte Leberbiopsie sollte insgesamt sehr restriktiv gehandhabt werden und bleibt speziellen, weniger invasiv nicht zu klärenden klinischen Situationen vorbehalten.

Intrahepatische Schwangerschaftscholestase (ICP):
Die intrahepatische Schwangerschaftscholestase, ausgelöst durch eine reversible Störung der Gallesekretion, stellt die prototypische schwangerschaftsspezifische Lebererkrankung dar. Leitsymptom ist Juckreiz, weshalb die Erkrankung auch unter dem Thema Haut beschrieben wird.
In Deutschland wird heute etwa ein ICP-Fall pro 100 Schwangerschaften beobachtet wird.
Typischerweise tritt die Erkrankung in der Spätschwangerschaft auf, da hier die höchsten Spiegel weiblicher Sexualhormone nachzuweisen sind.
Neuere Studien weisen darauf hin, dass eine ICP häufiger bei Patienten mit weiteren gastroenterologischen Erkrankungen wie chronischer Hepatitis-C-Virus-(HCV-)Infektion, nichtalkoholischer Steatohepatitis, Cholelithiasis und Pankreatitis auftritt. Für eine chronische HCV-Infektion und ICP ergeben sich wechselseitige Beziehungen: Während HCV-positive Patientinnen häufiger eine ICP entwickeln (16-fach erhöhtes Risiko), ist bei Schwangeren mit ICP 3,5-mal häufiger eine HCV-Infektion nachzuweisen. Alle Patientinnen mit Schwangerschaftscholestase sollten deshalb eine virusserologische Diagnostik erhalten. Bei familiärer Häufung intrahepatischer Cholestasen kommen zudem genetische Faktoren in Betracht, welche heutzutage untersucht werden können.

Klinik: Klinisch wegweisend zur Diagnose einer ICP sind:
  • Juckreiz (klinischer Leitbefund)
  • GPT-Erhöhung meist < 300 U/l
  • Gallensäuren > 10 µmol/l
  • γ-GT meist normwertig
  • Ausschluss sonstiger Leber- bzw. Gallenwegserkrankungen
  • Nach der Geburt vollständige Remission
Weitere klinische Symptome können Ikterus (< 10 % der Fälle) sowie eine Steatorrhö (Fettstuhl) mit potenziell begleitendem Vitamin-K-Mangel und alterierter Gerinnung darstellen. Um das Risiko fetaler Blutungen zu reduzieren, sind in diesem Fall engmaschige INR-Kontrollen notwendig.

Diagnostik: Zur obligaten Eingangsdiagnostik gehört eine Oberbauchsonografie, insbesondere um Leberparenchymveränderungen und Gallensteine nachzuweisen bzw. auszuschließen. Die Durchführung einer Leberbiopsie ist nicht indiziert.

Akute Schwangerschaftsfettleber: (Steatohepatitis)
Das sehr seltene Krankheitsbild der akuten Schwangerschaftsfettleber mit einer Inzidenz von 1 : 13.000 stellt die schwerwiegendste hepatologische Schwangerschaftskomplikation mit ausgeprägter mikrovesikulärer Lebererkrankung und Gefahr des fulminanten Leberversagens dar.

Pathophysiologie: Die Steatohepatitis wird durch eine Funktionsstörung der sogenannten Mitochondrien auf dem Boden einer genetischen Prädisposition mit exogener Triggerung durch Medikamente oder Infektionen ausgelöst. Wichtig für das Verständnis der Erkrankung ist, dass sie sich dann entwickelt, wenn das Kind homozygoter Träger einer Mutation ist. Folge ist ein Defekt im Stoffwechsel von langkettigen Fettsäuren, LCHAD genannt.

Klinik: Klinisch liegt meist eine Situation mit raschem Krankheitsbeginn, plötzlicher Übelkeit, Erbrechen, Oberbauchschmerzen und fieberhaften Temperaturen vor, die sich insbesondere in der Spätschwangerschaft entwickelt. Zeichen der Präeklampsie wie Hypertonie und Proteinurie wurden bei etwa der Hälfte der Patientinnen beschrieben. Das Auftreten von Gelbsucht oder Bauchwasser weist auf eine hohe Gefahr eines akuten Leberversagens hin. Insgesamt ist das Risiko für die Entwicklung eines Multiorganversagens hoch, sodass die Patientinnen hinsichtlich Nierenfunktion und Gerinnungsstatus engmaschig zu überwachen sind.

Diagnostik: Wie bei der alkoholischen Steatohepatitis sind die Transaminasen meist nicht massiv erhöht (< 500 U/l), während eine oft sehr hohe Leukozytose (> 20 000/µl) besteht. Zusätzlich liegen häufig eine Hypoglykämieneigung und eine Hyperurikämie vor. Die mikrovesikuläre Lebererkrankung kann der sonografischen Erfassung entgehen, weshalb in unklaren klinischen Situationen eine frühzeitige bioptische Diagnosesicherung, ggf. nach Optimierung der Gerinnungswerte, zu erwägen ist.

Therapie: Sobald die Diagnose gestellt ist, besteht die Indikation zur zeitnahen, in der Regel operativen Schwangerschaftsbeendigung und intensivmedizinischen Überwachung. Bei Hinweisen auf ein drohendes Leberversagen sollte eine Verlegung in ein Lebertransplantationszentrum erfolgen. Klinisch zu beachten sind insbesondere auch Blutungskomplikationen unter der Geburt. Durch eine verbesserte und frühzeitige Behandlung der Erkrankung konnte die früher hohe mütterliche Mortalität in den letzten Jahrzehnten auf < 10 % reduziert werden.
Wichtig ist auch die Überwachung der Neugeborenen von Müttern mit Schwangerschaftsfettleber, da diese durch Hypoglykämien und Leberfunktionsstörungen bedroht sind. Bei LCHAD-Defizienz, die durch das erweiterte Neugeborenen-Screening erfasst wird, besteht ein ausgeprägtes Risikopotenzial perinataler Komplikationen, insbesondere mit Blick auf mögliche Stoffwechselkrisen, Koma, Muskel- und Herzmuskelschwächen.
Bei vorliegender Schwangerschaftsfettleber ist nach der Geburt umgehend das Neugeborenen-Screening und ggf. eine genetische Diagnostik bei den Eltern durchzuführen.

Leberbeteiligung bei Präeklampsie:
Die Präeklampsie, die klinisch durch eine neu aufgetretene arterielle Hypertonie > 140/90 mmHg und eine Proteinurie > 300 mg/d nach der 20. SSW charakterisiert ist, stellt eine sehr häufige Schwangerschaftskomplikation mit häufigen mütterlichen und fetalen Komplikationen dar. Typischerweise tritt die Präeklampsie im letzten Schwangerschaftsdrittel auf. Risikogruppen stellen sehr junge Schwangere sowie Erstgebärende > 40 Jahre dar.

Klinik: Klinisch führend sind Zeichen der Bluthochdrucksituation wie Schwindel, Kopfschmerzen, Benommenheit, Sehstörungen sowie Übelkeit und Erbechen. Die wesentlichen Komplikationen bestehen im Auftreten einer manifesten Eklampsie mit zentralnervöser Symptomatik (Krampfanfälle) und dem HELLP-Syndrom. Bei etwa 20 % der Patientinnen kommt es zu einer Leberbeteiligung mit Anstieg der Transaminasen, von AP und Bilirubin, was einen schwerwiegenden Präeklampsieverlauf mit erhöhter perinataler Morbidität und Mortalität anzeigt.

HELLP-Syndrom:
Als klinische Verlaufsform der Präeklampsie mit potenziell lebensbedrohlichem Verlauf kommt es bei 0,2–0,8 % aller Schwangerschaften zu einem HELLP-Syndrom. Betroffen sind 2–12 % aller Patientinnen mit Präeklampsie, die klinisch durch Hypertonie und Proteinurie charakterisiert ist.
Im Mittel manifestiert sich das HELLP-Syndrom in der 33.-34. SSW, selten und gefürchtet sind die in bis zu 10 % der Fälle vorkommenden nachgeburtlichen Verlaufsformen.
Beim HELLP-Syndrom besteht eine proportionale Beziehung von Leberfunktionsstörung und GPT-Erhöhung, bei der akuten Schwangerschaftsfettleber dagegen meist nur eine moderate GPT-Erhöhung bei schwerer Leberfunktionsstörung.

Klinik: Im Vordergrund stehen klinisch in der Regel rasch einsetzende Oberbauchschmerzen, Übelkeit und ggf. Erbrechen. Zur Differenzialdiagnose und zur Erkennung der seltenen HELLP-Komplikationen (Leberhämatome) sind eine umgehende Oberbauchsonografie und laborchemische Abklärung indiziert.
Differenzialdiagnostische Schwierigkeiten können sich bei Vorliegen (noch) normaler Thrombozytenzahlen und/oder klinisch fehlender Präeklampsie ergeben, was bei 10-20 % der Patientinnen zu erwarten ist. Somit kommt kurzfristigen laborchemischen Kontrollen in 4- bis 6-stündlichen Intervallen initial eine große Bedeutung zu.

Hyperemesis gravidarum mit Leberbeteiligung:
Die bei etwa 0,3 % aller Schwangeren auftretende Hyperemesis gravidarum ist charakterisiert durch unstillbares Erbrechen im 1. Schwangerschaftsdrittel. Für die Krankheitsentstehung werden unterschiedliche immunologische, hormonelle und psychologische Faktoren verantwortlich gemacht. In Übereinstimmung mit dem Krankheitsbeginn in der Frühschwangerschaft gibt es Hinweise, dass insbesondere deutlich überhöhte β-hCG-Spiegel die Erkrankung begünstigen. In der Hälfte der Fälle kommt es zu einer laborchemischen Hepatopathie, wobei hier die Transaminasen in der Regel nur bis maximal 200 IU/l mäßig erhöht sind.

Differenzialdiagnostisch sind insbesondere akute virale Hepatitiden auszuschließen.

Therapie: Eine frühzeitige fachgerechte symptomatische Therapie (Rehydrierung, Gabe von Metoclopramid oder Doxylamin) ist erforderlich. In Abhängigkeit vom klinischen Schweregrad kann eine stationäre Versorgung mit intravenöser Rehydrierung und parenteraler Ernährung notwendig werden.
Die laborchemische Hepatopathie normalisiert sich in der Regel mit Fortschreiten der Schwangerschaft und klinischer Remission der Hyperemesis.

Tabelle 2 fasst die differenzialdiagnostisch relevanten laborchemischen und klinischen Merkmale der 3 führenden schwangerschaftsspezifischen Lebererkrankungen – Schwangerschaftscholestase, Schwangerschaftsfettleber und HELLP-Syndrom – zusammen.

Tabelle 2: Übersicht wichtiger Differenzialdiagnosen von Lebererkrankungen in der Schwangerschaft

Kriterien

ICP

Steatohepatitis

HELLP-Syndrom

Hämolyse

(+)

++

Transaminasen ↑

+

++

++

Thrombozytopenie

sekundär +

++

Leukozytose

+++

Ikterus

(+)

+

(+)

Hypertonie

+

(in 30–50 % der Fälle)

++

(in 85–95 % der Fälle)

Proteinurie

+

+++

Nierenversagen

sekundär +

+ bis +++

ZNS-Symptome

++

+ bis +++

Sonstiges

Cholestase, Pruritus

Hypoglykämieneigung, Blutungen (DIG)

DIG

DIG=disseminierte intravasale Gerinnung

Akute Virushepatitiden:
In der Regel nehmen akute Virushepatitiden in der Schwangerschaft keinen grundsätzlich anderen Verlauf. Bei entsprechendem klinischen Verdacht sollte eine umfassende Abklärung mit Erfassung der echten Virushepatitiden A-E (anti-HAV-IgM, HBs-Antigen, anti-HBc, anti-HCV, HCV-RNA, anti-HEV-IgM, HEV-RNA) und Zytomegalie-, Epstein-Barr-, Herpes-simplex- und Parvovirus-B19-Infektionen erfolgen (Tab. 3).

Tabelle 3: Virologische Diagnostik bei Verdacht auf akute Virushepatitis in der Schwangerschaft

Virusinfektion:

Diagnostische Parameter:

Hepatitis-A-Virus-Infektion (HAV)

anti-HAV-IgM

Hepatitis-B-Virus-Infektion (HBV)

HBs-Antigen, anti-HBs, ggf. HBV-DNA

Hepatitis-C-Virus-Infektion (HCV)

anti-HCV-IgG, ggf. HCV-RNA

Hepatitis-E-Virus-Infektion (HEV)

anti-HEV-IgM/G, ggf. HEV-RNA im Stuhl

Zytomegalievirus-Infektion (CMV)

anti-CMV-IgM/G, ggf. pp65+CMV-DNA

Epstein-Barr-Virus-Infektion (EBV)

EBV-Schnelltest, VCA-IgM/G, EBV-Immunoblot, ggf. EBV-DNA

Herpes-simplex-Virus-Infektion (HSV)

anti-HSV-IgM/G, ggf. HSV-DNA

Parvovirus-B19-Infektion

anti-Parvo-B19-IgM/G

Hepatitis-B-Virus-Infektion (HBV):
Therapie bei Kinderwunsch: Bei bestehendem Kinderwunsch und chronischer Hepatitis-B-Virus-Infektion müssen in der Abwägung einer möglichen antiviralen Therapie bei nicht schwangeren Patientinnen unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden. Vordergründig erscheint die Überprüfung der Indikation zur antiviralen Therapie mit pegyliertem Interferon sinnvoll (Vorteil der zeitlich begrenzten Behandlung). Diese ist jedoch nur unter strengem Kontrazeptionsschutz anwendbar und erfordert ein zeitliches Verschieben des Kinderwunschs. Bei fehlender signifikanter Fibrose oder sonstigen zwingenden Gründen für einen unmittelbaren Therapiebeginn kann diskutiert werden, die Therapie bis zur Realisierung des Kinderwunschs zurückzustellen. Bei dringlicher Therapieindikation sollte eine antivirale Therapie (z.  B. mit Tenofovir) begonnen werden.
Schwangerschaft unter Therapie: Bei Eintreten einer Schwangerschaft unter laufender HBV-Therapie muss eine Reevaluation der Dringlichkeit der Therapieindikation und der Präparatauswahl erfolgen. Bei Therapie mit Lamivudin oder Tenofovir kann diese fortgeführt werden. Bei Behandlung mit Entecavir oder Adefovir, für die bislang unzureichende Sicherheitsdaten vorliegen, sollte ein Präparatewechsel auf Tenofovir oder Telbivudin erfolgen.

Therapie in der Schwangerschaft: Hinsichtlich einer möglichen antiviralen Therapie mit Interferonpräparaten besteht eine strenge Kontraindikation in der Schwangerschaft. Ein Beginn und/oder Fortsetzung einer Behandlung mit Nukleos(t)id-Analoga bei chronischer Infektion in der Schwangerschaft erfordert eine Nutzen-Risiko-Abwägung.
Die antivirale Therapie senkt das trotz Immunisierung bei diesen Patientinnen bestehende Transmissionsrisiko von 8 auf 0 %.
Besteht außer der Reduktion des perinatalen Transmissionsrisikos keine sonstige Therapieindikation, sollte die Therapie mit Blick auf eine mögliche akute Verschlechterung der Erkrankung frühestens 6 Monate nach Entbindung beendet werden.
Bei HBs-Antigen-positiven Schwangeren sollten regelmäßige GPT- und HBV-DNA-Bestimmungen während der Schwangerschaft und bis 6 Monate nach Entbindung erfolgen. Die HBV-DNA (Viruslast) zeigt, wie stark sich das Virus vermehrt und wie ansteckend jemand ist. Bei über 1.000 - 10.000 Kopien/ml (~ 200 – 2.000 IE/ml) geht man von Ansteckungsgefahr aus. Bei HBs-Antigen-positiven Schwangeren mit einer Viruslast > 100.000 Kopien/ml (~ 200. 000 IE/ml) sollte ab der 24. SSW eine antivirale Therapie zur Transmissionsprophylaxe eingeleitet werden.

Peripartales Transmissionsrisiko: Das Screening auf Hepatitis B ist in der Schwangerenvorsorge durch die Bestimmung des HBs-Antigens verankert. Bei Neugeborenen HBsAg-positiver Mütter besteht aufgrund des hohen Transmissionsrisikos unter der Geburt die Indikation zur aktiven und passiven Immunisierung innerhalb von 12 Stunden nach Geburt. Vorbehaltlich einer adäquaten Aktiv- und Passivimmunisierung (und fehlender HIV-Koinfektion) besteht keine grundsätzliche Indikation zur Entbindung mittels Sectio. Global gesehen ist von einer Infektion des Kindes bei etwa 60 % aller HBV-Träger auszugehen. Ein hohes vertikales Transmissionsrisiko liegt vor allem bei mütterlicher HBe-Antigen-Positivität (70–90 %) und komplizierten geburtshilflichen Situationen vor (geringe Fruchtwassermenge, mekoniumhaltiges Fruchtwasser, postpartale Hämorrhagien). Das HBe-Antigen (HBeAg) ist ein indirektes Zeichen, dass sich das Virus gerade stark vermehrt, meist eine sehr hohe Viruslast (HBV-DNA) vorliegt.
Was die epidemiologische Situation in Deutschland anbelangt, sind hauptsächlich Familien mit Migrationshintergrund betroffen, bei denen die HBs-Antigen-Prävalenz mit 3 % gegenüber 0,14 % in der Allgemeinbevölkerung erhöht ist.

Postpartales Exazerbationsrisiko: Klinisch zu beachten ist auch das erhöhte Risiko einer plötzlichen Verschlechterung des Krankheitsbildes von bis zu 40 % bei HBV-positiven Wöchnerinnen, sodass eine sorgfältige Überwachung dieser Patientinnen erfolgen sollte. Dies ist umso wichtiger in Fällen, in denen im Rahmen der Schwangerschaft oder nach Entbindung eine antivirale Therapie abgebrochen oder pausiert wurde.
Stillen. Bei zwar theoretisch bestehender Möglichkeit der HBV-Übertragung durch Stillen und Nachweisbarkeit einzelner Nukleos(t)id-Analoga in der Muttermilch bestehen nach Maßgabe aktueller Leitlinien bei korrekt erfolgter postpartaler Immunisierung keine Einwände gegen das Stillen.

Hepatitis-C-Virus-Infektion (HCV):
Schwangerschaft und Therapie: Schwangerschaft und Stillzeit sind absolute Kontraindikationen für einen antiviralen HCV-Therapieansatz mit pegyliertem Interferon und Ribavirin. Zu beachten ist ferner, dass insbesondere unter Berücksichtigung der Teratogenität von Ribavirin ein sicherer Kontrazeptionsschutz über mindestens 6 Monate nach Absetzen beibehalten werden muss.
Falls unter laufender HCV-Therapie eine Schwangerschaft eintritt, muss die Therapie umgehend beendet werden, es besteht jedoch keine Indikation zum Schwangerschaftsabbruch.

Aktivität der Erkrankung: Veränderungen der biochemischen Aktivität der Virushepatitis und der HCV-Viruslast sind häufig im Rahmen einer Schwangerschaft nachweisbar. Hier ist oft ein gewisser Transaminasenabfall mit ansteigender HCV-Viruslast insbesondere in der Spätschwangerschaft festzustellen. Bisher liegen keine klinischen Daten vor, die einen signifikanten Einfluss einer oder mehrerer Schwangerschaften auf den Langzeitverlauf einer chronischen HCV-Infektion nahelegten.

Peripartales Transmissionsrisiko: Für die Hepatitis-C-Virus-Infektion wird ein perinatales Transmissionsrisiko von durchschnittlich < 5 % angegeben. Bei gleichzeitig bestehender HIV-Koinfektion sind deutlich höhere Infektionsraten von bis zu 36 % berichtet worden.
Wie bei der HBV-Infektion bestehen hinsichtlich eines vaginalen Entbindungsmodus und/oder Stillens keine grundsätzlichen Einwände vorbehaltlich einer ausgeschlossenen HIV-Koinfektion, zumal HCV in der Muttermilch nicht nachgewiesen werden konnte. Die Entscheidung wird aber in der Regel im Konsens mit den Pädiatern von Fall zu Fall getroffen.
Eine HCV-Transmission auf das Kind kann erst bei Antikörperpersistenz über den 18. Monat hinaus bzw. durch den Nachweis von HCV-RNA in mindestens 2 zu verschiedenen Zeitpunkten gewonnenen Serumproben als gesichert gelten.

Autoimmunhepatitis (AIH):
Exazerbationsrisiko: Wie bei anderen Autoimmunerkrankungen besteht auch für Schwangere mit Autoimmunhepatitis ein gesteigertes Risiko einer plötzlichen Verschlimmerung der Erkrankung, das mit 21–33 % bzw. bis zu 52 % in den ersten Monaten nach der Entbindung angegeben wird. Ferner sind das Fehlgeburts- und das perinatale Mortalitätsrisiko bei AIH-Schwangerschaften auf 24–27 % gesteigert.

Schwangerschaft und Therapie: Bei neu diagnostizierter AIH in der Schwangerschaft wird eine Steroidmonotherapie (aufgrund der Präparatesicherheit mit Prednisolon) bevorzugt. Bei Schwangerschaftseintritt unter Therapie mit Steroid und Azathioprin (AZA) wird aufgrund der hohen Schubgefahr bei Abbruch der immunsuppressiven Therapie zu einer Therapiefortsetzung geraten. Diesbezüglich ist wichtig, dass AZA mittlerweile bei gegebener Indikation als in der Schwangerschaft sicher gilt.

Stillen ist unter AZA (oder 6-Mercaptopurin) formal kontraindiziert.

Von klinischer Relevanz bei der Betreuung von AIH-Patientinnen mit Kinderwunsch ist der Ausschluss/Nachweis von Ösophagusvarizen und assoziierten Autoimmunerkrankungen.

Cholelithiasis (Gallensteinleiden):
Pathophysiologie und Häufigkeit: Bedingt durch die progesteroninduzierte eingeschränkte Motilität der Gallenblase besteht in der Schwangerschaft eine deutliche Neigung zur De-novo-Gallensteinbildung. In einer großen prospektiven Studie konnten sonografisch bei jeweils 5 % der Schwangeren Gallengries (Sludge) bzw. Konkremente festgestellt werden. Diese hohe Rate an Cholelithiasis kontrastiert jedoch mit einem vergleichsweise geringen Komplikationsrisiko: 1,2 % der Schwangeren entwickelten eine symptomatische Cholelithiasis ohne weitere klinische Komplikationen.

Passend hierzu zeigte sich, dass die Rate die Galle betreffender Komplikationen in der Schwangerschaft in Relation zu einem nicht schwangeren Kollektiv mit symptomatischen Gallenwegserkrankungen nicht signifikant unterschiedlich war. Insgesamt können somit solche Komplikationen in der Schwangerschaft als vergleichsweise selten angesehen werden. Interessanterweise besteht jedoch ein höheres Risiko für Gallenkoliken im Wochenbett, und die Cholezystektomierate im 1. Jahr nach der Entbindung erreicht 1 %.

Therapie: Bei Vorliegen einer akuten Gallenblasenentzündung kann diese in der Schwangerschaft meist konservativ durch Nahrungskarenz, parenterale Volumentherapie, Spasmolyse/Analgesie und intravenöse Antibiose (1. Wahl: Ampicillin) beherrscht werden.
Konservativ therapierte Patientinnen haben während der Schwangerschaft ein Rezidivrisiko von bis zu 40 %.
Bei dringlicher Indikation zur operativen Therapie kann diese unter spezifischen Bedingungen im 1. und 2. Schwangerschaftsdrittel als laparoskopische Cholezystektomie durchgeführt werden. Unter Berücksichtigung einer möglichen Auslösung vorzeitiger Wehentätigkeit und der schwierigen anatomischen Verhältnisse sollte eine Cholezystektomie im 3. Schwangerschaftsdrittel sehr zurückhaltend indiziert werden. Was die fetale Sterblichkeit anbelangt, besteht nach aktueller Datenlage mit 4 gegen 5 % ein geringer Vorteil für das laparoskopische Vorgehen. Wie außerhalb der Schwangerschaft werden symptomatische Gallengangssteine durch eine endoskopisch-retrograde Cholangiografie mit endoskopischer Sphinkterotomie und Konkrementextraktion behandelt. Dabei besteht hinsichtlich der Verwendung von Röntgenstrahlen auch im 1. Schwangerschaftsdrittel bei Beachtung der Strahlenschutzrichtlinien keine Kontraindikation.
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