Endometriose

Gynäkologie - Gutartige Erkrankungen - Endometriose

Die Endometriose ist eine der häufigsten Erkrankungen der Frau. Schätzungen für Deutschland gehen von einer Neuerkrankungsrate von jährlich etwa 42.000 Patientinnen und einer Gesamtzahl von etwa 1.200.000 Patientinnen aus.
Die klassische Definition der Endometriose beschreibt das Auftreten von gebärmutterschleimhautartigem Gewebe außerhalb der Gebärmutterschleimhaut. Endometrioseherde bestehen aus Drüsen, bindegewebigen Stützzellen und glatter Muskulatur und werden von Nerven, Lymph- und Blutgefäßen versorgt. In Deutschland wird die Endometriose nach ihrer Lokalisation in die Endometriosis genitalis interna (sog. Adenomyosis uteri, Gebärmuttermuskel), Endometriosis genitalis externa (Eileiter, Eierstöcke, Bauchfell im kleinen Becken) und Endometriosis extragenitalis (z.B. Darm, Harnblase, Scheide, Bauchdecke, Blinddarm) eingeteilt.
Typische sonographische Veränderungen des Uterus bei Adenomyosis uteri:
  • teilweise Aufhebung der sonographischen Grenzen zwischen Endometrium und Myometrium
  • heterogenes "unruhiges" Echomuster des Endometriums
  • myometrale Zysten bzw. spaltförmige Hohlräume im Myometrium
  • echogene Knötchen oder strahlförmige Verdichtungen, die vom Endometrium in das Myometrium ziehen
  • fehlende zirkuläre Vaskularisation im Bereich der Läsion (im Gegensatz zum intramuralen Myom)
Nach sogenannten histopathologischen Gesichtspunkten ist sie eine gutartige Erkrankung, obwohl sie in Gewebe eindringen kann und organübergreifendes Wachstum zeigt. Die Endometriose ist eine östrogenabhängige Erkrankung. Das durchschnittliche Ersterscheinungsalter liegt bei 27 Jahren, wobei die Symptome, die letztendlich zur Diagnose führen, teilweise bereits Jahre vorher auftreten. Vor der ersten Regelblutung ist die Endometriose absolut selten. Prinzipiell tritt sie auch nach der Menopause (letzten Regelblutung im Leben) sehr selten auf, kann jedoch, bedingt durch die Hormonersatztherapie bei postmenopausalen Frauen, auch in dieser Phase zu einem Problem werden.

Klassisches klinisches Leitsymptom der Endometriose sind Schmerzen unterschiedlicher Qualität und Lokalisation, so dass diese nicht für die Krankheit kennzeichnend sind. Zu den Schmerzen zählen unter anderem zyklische oder chronische Unterbauchschmerzen, Regelschmerzen, Schmerzen bei Geschlechtsverkehr und Stuhlverhalt im Enddarm. Noch am ehesten typisch ist ein Schmerz im Unterbauch, der ca. 2 Tage vor der Menstruation einsetzt und häufig während der Menstruation bereits rückläufig ist.
Symptome Lokalisation der Endometriose
Dysmenorrhoe Adenomyose
Peritoneale Läsionen
Tief infiltrierende Endometriose
Unterbauchschmerzen Peritoneale und ovarielle Läsionen
Adhäsionen
Adenomyose
Dyspareunie Rektovaginale Endometriose
Douglas-Raum
Lig. sacrouterinum
Adenomyose
Dyschezie/Dysurie
Hämatochezie/Hämaturie
Organbefall von Darm und/oder
Blase
Sterilität Adenomyose/Endometriose
Endometriome
Adhäsionen
Verschluss der Tuben

Die beschriebenen Symptome treten einzeln oder gemeinsam bei bis zu 80 % der Endometriose-Patientinnen auf. Auffällig sind die Variabilität und die relative Stadienunabhängigkeit der von den Patientinnen empfundenen Beschwerden.

So klagen bereits 25 % der Frauen im Anfangsstadium über starke Schmerzen, andererseits sind selbst bei einer ausgeprägten Endometriose bis zu 20 % der Betroffenen weitgehend beschwerdefrei.

Ebenso wie die angesprochene Schmerzsymptomatik kann ein unerfüllt bleibender Kinderwunsch eine mögliche Manifestation einer Endometriose sein. Die Endometriose scheint die menschliche Fortpflanzung in fast jedem Teilschritt zu beeinflussen. Dass die Fruchtbarkeit durch die Veränderungen des inneren Genitales (Gebärmutter, Eileiter, Eierstöcke) bei fortgeschrittener Endometriose negativ beeinflusst wird, ist dabei noch leicht nachzuvollziehen. Demgegenüber sind Mechanismen, die bei minimaler oder milder Endometriose der Infertilität (Unfähigkeit, eine Schwangerschaft auszutragen) zu Grunde liegen, sehr subtil und werden auch in der Literatur kontrovers diskutiert.
Bei Verdacht auf Endometriose sollte nach Möglichkeit eine feingewebliche Untersuchung erfolgen. Dafür ist in aller Regel eine Bauchspiegelung notwendig.
Differenziert wird zwischen aktiver und inaktiver (alter) Endometriose. Bei aktiver Endometriose finden sich helle Papeln und Vesikel, bei inaktiver Endometriose Narben und bläuliche Herde. Hormonelle Therapien sprechen vor allem bei aktiver Endometriose gut an.
Da bislang weder Ursache noch Entstehung und Entwicklung der Endometriose eindeutig geklärt sind, verwundert es nicht, dass derzeit noch keine spezifische Therapie zur Verfügung steht. Demnach ist eine Behandlung asymptomatischer Verläufe auch nicht angezeigt.
rASRM-Einteilung der Endometriose ENZIAN-Klassifikation der Endometriose
Operative Therapie:
  • Therapie der Endometriose des Bauchfells: Sie erfolgt über eine Bauchspiegelung. Ziel der Therapie sollte eine möglichst komplette Entfernung aller Herde sein.
  • Therapie der abgekapselten Endometriosezyste des Eierstocks: Die Bauchspiegelung ist auch hier die Methode der Wahl. Sie besteht in der Extraktion der durch eine Kapsel abgeschlossenen Zyste oder der Verödung des Zystengrundes. Beide Methoden sind ähnlich effektiv und weisen ein Rezidivrisiko von 5-10 % auf. Die alleinige medikamentöse Therapie ist unzureichend und wird nicht empfohlen.
  • Therapie der Adenomyosis uteri: Die Entfernung der Gebärmutter stellt eine effektive Therapieform dar.
  • Therapie der tiefen infiltrierenden Endometriose: Die Problematik der sogenannten tiefen infiltrierenden Endometriose liegt in einem häufigen Mitbefall von Darm, Harnblase und Harnleiter. Therapie der Wahl ist auch hier die Entfernung der Endometriose. Diese kann u.a. durch Bauchspiegelung oder Bauchschnitt erfolgen. Da jedoch häufig Patientinnen mit Kinderwunsch betroffen sind, bei denen der Organerhalt oberstes Gebot ist, muss die Radikalität oft eingeschränkt werden. Das Ausmaß des Eingriffes ist zudem immer gegen die unvermeidliche Rezidivneigung abzuwägen. Die Gabe von GnRH-Analoga (Substanzen, die die Produktion von Sexualhormonen reduzieren) vor und/oder nach der Operation wird nicht generell empfohlen, da deren Effektivität nicht bewiesen ist.
Hormonelle Therapie:
Eine hormonelle Therapie kann erfolgen, wenn eine Operation nicht gewünscht wird oder um Rezidiven vorzubeugen. Eingesetzt werden können hier eine Gestagenmonotherapie, eine Hormonspirale, eine einphasische Antibabypille oder bei ausgeprägter Endometriose ein GnRH-Analogon.

Bei den einphasischen Antibabypillen haben sich niedrig dosierte Präparate mit Levonorgestrel oder Desogestrel oder auch der Vaginalring bewährt. Eine Langzeiteinnahme mit einer durchgehenden Einnahme wird in Bezug auf Schmerzreduktion, Hygiene und Lebensqualität als positiv empfunden. Die Wirksamkeit ist einer Therapie mit Gestagenen oder GnRH-Analoga zwar unterlegen, Antibabypillen bzw. der Vaginalring zeigen jedoch auch ein deutlich niedrigeres Spektrum an Nebenwirkungen. Bei Durchbruchblutungen unter Langzeitanwendung von Antibabypillen können 2x1 Tablette täglich für die Dauer der Schmierblutungen (+1 Tag länger) genommen werden, um dann zur einmaligen Einnahme zurückzukehren. Nachteilig ist, dass die Anwendung  dieser Verhütungsmittel als Off-Label-Use erfolgen muss.

Die systemische Gestagenmonotherapie erfolgt als Dauertherapie mit 2 mg Dienogest in Tablettenform (z.B. Visanne®), alternativ kommen die Dreimonatsspritze und das Hormonstäbchen Implanon NXT® in Betracht. Es treten zumindest in den ersten 3 Monaten häufig Durchbruchblutungen auf. Bei Blutungsstörungen unter Anwendung von 2 mg Dienogest und einer doppelten Endometriumdicke über 5 mm ist eine Verdoppelung der Dosis über 4-8 Wochen möglich. Liegt die doppelte Endometriumhöhe unter 5 mm, ist es möglich eine siebentägige Einnahmepause vorzunehmen oder 1 mg Estradiol täglich über 7 Tage zu substituieren. Als weitere Nebenwirkungen sind Gewichtszunahmen und Wassereinlagerungen, Akne, Hitzewallungen, Libidoverlust, Spannungsgefühle in der Brust, Stimmungsschwankungen und Kopfschmerzen möglich.

Als lokale Gestagenbehandlung zeigt das Levonorgestrel-freisetzende Intrauterinsystem Mirena® aufgrund deutlich geringerer systemischer Gestagenkonzentrationen weniger Nebenwirkungen. Die lokale Gestagenwirkung scheint insbesondere auf unmittelbar benachbarte Endometrioseherde wie die Endometriosis genitalis interna ausgesprochen effektiv zu sein.

Um bei Einsatz von GnRH-Analoga eine Stimulation der Eierstockfunktion zu vermeiden, sollte die erste Injektion in der Mitte der Gelbkörperphase erfolgen. Da es unter dieser Therapie zu Östrogenmangelerscheinungen wie Hitzewallungen und Schweißausbrüchen, aber auch Kopfschmerzen, Scheidentrockenheit und Gewichtszunahme sowie zu einer signifikanten Abnahme der Knochendichte kommt, sollte immer eine Begleitmedikation zur Beseitigung der östrogenmangelbedingten Nebenwirkungen in Form von über die Haut verabreichten Östrogenen (Add-back-Therapie mit dem Ziel einer Serumkonzentration um 30-40 pg/ml E2) erfolgen sowie die Einnahme eines Kalzium- und Vitamin D3-Präparates erwogen werden. Aus den gleichen Gründen sollte die Therapiedauer 6 Monate nicht überschreiten. GnRH-Analoga eignen sich bei Patientinnen mit sehr starker Endometriosesymptomatik ohne aktuell möglicher operativer Therapiealternative. Sie werden auch postoperativ eingesetzt, wenn eine Sterilitätsbehandlung geplant ist.

Schmerztherapie:
In der Praxis besteht die Therapie der Endometriose-assoziierten Schmerzen zunächst in der Gabe von sogenannten Antiphlogistika. Es fehlt allerdings der wissenschaftliche Nachweis einer Effektivität bei der Endometriose. Die Verordnung von anderen Schmerzmitteln wie z. B. Opioiden sollte nur bei Patientinnen mit chronischen Schmerzzuständen und nach Prüfung aller anderen therapeutischen Möglichkeiten sowie in Kooperation mit Schmerztherapeuten und eventuell einem Psychotherapeuten erfolgen.

Kinderwunsch:
Eine Suppressionstherapie mit GnRH-Analoga bei Patientinnen mit ausgeprägter Endometriose hat einen günstigen Einfluss auf die Erkrankung und die Schmerzen, jedoch keinen nachgewiesenen fertilitätssteigernden Effekt nach Absetzen im Hinblick auf den Eintritt einer Spontanschwangerschaft. Eine drei- bis sechsmonatige Vorbehandlung vor einer Sterilitätsbehandlung in einem Kinderwunschzentrum (künstliche Befruchtung) führt hingegen zu einer Verbesserung der Schwangerschaftsrate.

Links:
Endometriose-Liga - Europäisches Endometriose Informations-Center
Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. - Organisation selbstbetroffener Frauen, Liste zertifizierter Endometriosezentren
AWMF-Leitlinie - Diagnostik und Therapie der Endometriose
KBV Patienteninformation Endometriose
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