AU & Beschäftigungsverbot

Schwangerschaft - Ratgeber & Tipps - AU & Beschäftigungsverbot

Das Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mütter (Mutterschutzgesetz, MuSchG) trat am 6. Februar 1952 in Kraft. Es gilt für alle (werdenden) Mütter, die in einem Arbeitsverhältnis stehen (auch Beschäftigte in Behindertenwerkstätten, Mitarbeiterinnen von geistlichen Genossenschaften und in der Entwicklungshilfe, Heimarbeiterinnen, geringfügig Beschäftigte), aber auch für Auszubildende, Schülerinnen, Studentinnen, Praktikantinnen, Frauen im Bundesfreiwilligendienst und arbeitnehmerähnliche Frauen. Das Mutterschutzgesetz gilt nicht für Beamtinnen, Richterinnen und Soldatinnen. Für Beamtinnen beispielsweise gelten die Mutterschutz- und Elternzeitverordnung des Bundes beziehungsweise die entsprechenden Rechtsverordnungen der Länder.


Neben der Gestaltung des Arbeitsplatzes, dem Kündigungsverbot und gesetzlichen Leistungen für die werdende und stillende Mutter sind in diesem Gesetz auch die Beschäftigungsverbote festgelegt. Unterschieden wird ein auf die persönliche gesundheitliche Gefährdung bezogenes „ärztliches“ von einem arbeitsplatzbezogenen „betrieblichen“ Beschäftigungsverbot:

Das
ärztliche Beschäftigungsverbot ist in § 16 MuSchG geregelt. Dort heißt es, „schwangere Frauen dürfen nicht beschäftigt werden, soweit nach einem ärztlichem Zeugnis ihre Gesundheit oder die ihres Kindes bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist“. Für die Aussprache eines ärztlichen Beschäftigungsverbots ist somit nicht maßgeblich, ob von dem Arbeitsplatz eine spezielle Gefährdung ausgeht. Werden einzig Bedenken gegen die Fahrten zur Arbeitsstätte geltend gemacht, begründet dies kein Beschäftigungsverbot im Sinne des MuSchG. Das ärztliche Zeugnis muss klar abgefasst sein und sich auf die Rechtsgrundlage beziehen. Art, Umfang und Dauer der Beschäftigungsverbote und -beschränkungen sind zu vermerken. Die Art der Gefährdung soll beschrieben werden. Es besteht die Möglichkeit, ein totales oder ein partielles (nur bestimmte Tätigkeiten oder Zeiten betreffendes) Beschäftigungsverbot auszusprechen.

Das
betriebliche Beschäftigungsverbot nach § 13 MuSchG zielt nicht auf den Gesundheitszustand der werdenden Mutter ab, sondern auf die Tätigkeit und ihre Auswirkungen auf die Schwangerschaft. Der Arbeitgeber muss eine Schwangerschaft unverzüglich der zuständigen Aufsichtsbehörde, den staatlichen Arbeitsschutz- oder Gewerbeaufsichtsämtern, mitteilen (§ 27 MuSchG). Die Verletzung der Mitteilungspflicht stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einem Bußgeld bestraft werden (§ 32 MuSchG). Der Arbeitgeber hat zudem nach dem Mutterschutzgesetz und weiteren Rechtsvorschriften eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen . Dabei hat er Art, Ausmaß und Dauer von Gefährdungen zu analysieren und entsprechende Schutzmaßnahmen (bis hin zur Umsetzung oder gar Freistellung) abzuleiten. Dies kann auf schriftlichem Weg fachkundigen Personen übertragen werden (§ 13 ArbSchG). Häufig ist ein Betriebsarzt aufgrund seiner Fachkompetenz einbezogen . Der Arbeitgeber darf eine schwangere oder stillende Frau nur Tätigkeiten ausführen lassen, für die eine Gefährdungsbeurteilung vorliegt. Beschäftigungsverbote sind im MuSchG aufgeführt. Dazu gehören beispielsweise das Verbot der Nachtarbeit zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr (§ 5 MuSchG) sowie das Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit (§ 6 MuSchG). Für die Arbeit zwischen 20 und 22 Uhr wurde ein spezielles behördliches Genehmigungsverfahren eingeführt (§ 28 MuSchG). Kann eine Schwangere nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz eingesetzt werden, kann der Arbeitgeber sie nach billigem Ermessen umsetzen. Ein Arbeitgeber darf eine Schwangere nicht beschäftigen, ohne zu gewährleisten, dass sie jederzeit den Arbeitsplatz verlassen oder Hilfe erreichen kann (keine Alleinarbeit!).
Im Gegensatz zum ärztlichen wird
das betriebliche Beschäftigungsverbot somit nicht vom betreuenden Arzt, sondern vom Arbeitgeber auf Grundlage „seiner“ Gefährdungsbeurteilung und meist in Zusammenarbeit mit dem Betriebsarzt ausgesprochen.


Die zuständige Aufsichtsbehörde der Länder für die Überwachung der Einhaltung des Mutterschutzgesetzes kann im Zweifelsfall klären, ob die konkreten Tätigkeiten und die vorhandenen Arbeitsbedingungen die Gesundheit der werdenden Mutter tatsächlich gefährden und ob möglicherweise ein betriebliches Beschäftigungsverbot beachtet werden muss. Außerdem kann die zuständige Aufsichtsbehörde in Einzelfällen Vorkehrungen und Maßnahmen zum Schutz der werdenden Mutter anordnen oder Beschäftigungen werdender Mütter mit bestimmten Arbeiten untersagen.

Weitgehend unbekannt ist
das vorläufige ärztliche Beschäftigungsverbot. Das Bundesarbeitsgericht ermöglicht in seinem Urteil vom 11. November 1998 dem Arzt ausnahmsweise auch ein vorläufiges Beschäftigungsverbot auszusprechen. Wenn aus ärztlicher Sicht ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass vom Arbeitsplatz Gefahren für Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind ausgehen können, weil eine fachkundige Überprüfung des Arbeitsplatzes nicht stattgefunden hat, kann bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts das vorläufige Beschäftigungsverbot durch einen Arzt ausgesprochen werden.


Wird ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen, informiert der Arbeitgeber die Krankenkasse der Beschäftigten. Die werdende Mutter hat Anspruch auf zeitlich unbegrenzte Zahlung des vollen Arbeitsentgelts (Mutterschutzlohn) nach § 18 MuSchG. Dieses bekommt der Arbeitgeber auf Antrag über das Umlageverfahren 2 (U2-Verfahren) von der Krankenkasse der werdenden Mutter erstattet. Der Antrag hat den Namen "Erstattung nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz für Arbeitgeberaufwendungen bei Mutterschaft - U2". Im Fall der Arbeitsunfähigkeit hat die Schwangere hingegen Anrecht auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber und nach sechs Wochen Anspruch auf Krankengeld.


Vom Beschäftigungsverbot zu unterscheiden ist die
Arbeitsunfähigkeit (AU), welche entweder aus einer Erkrankung oder einem Unfall ohne Kausalzusammenhang zur Schwangerschaft entsteht oder sich aufgrund eines pathologischen Schwangerschaftsverlaufs entwickelt (zum Beispiel vorzeitige Wehentätigkeit, Blutungen, Präeklampsie ). Arbeitsunfähigkeit liegt nach der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses vor, wenn die Versicherte aufgrund von Krankheit ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann (§ 2 Absatz 1 Satz 1 AU-Richtlinie). Entscheidend ist also, dass hier Beschwerden vorliegen, welche einen Krankheitswert haben. Die Abgrenzung zum Beschäftigungsverbot ist nicht immer leicht, sollte aber immer gewissenhaft erfolgen. Finanzielle Interessen der Arbeitnehmerin oder anderer Beteiligter dürfen nicht dazu führen, dass anstelle einer Arbeitsunfähigkeit ein Beschäftigungsverbot attestiert wird. Neben zivilrechtlichen Ansprüchen, können sich nach § 278 Strafgesetzbuch bei vorsätzlichem Handeln auch strafrechtliche Konsequenzen ergeben.

Adresse:
Staatliches Amt für Arbeitsschutz
Bezirksregierung Köln, Dezernat 56
Tel.: 0221 147 2056

Links:

Mutterschutzgesetz - Der Gesetzestext
Praxishilfen zum Mutterschutz - Infomationen zum Mutterschutz vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (NRW)

NRW: Mutterschutz Gefährdungsbeurteilung Handlungshilfe Arbeitshilfe Mutterschutz Patienteninformation eAU
Exkurs: Attest für das Gericht:
Gelegentlich ist es in der Praxis notwendig, für Patientinnen Atteste auszustellen zur Vorlage beim Gericht, um die Abwesenheit einer Patientin bei einem Gerichtstermin zu entschuldigen. Für diese „Verhandlungsunfähigkeitsatteste“ gelten besondere Anforderungen, deren Nichteinhaltung insbesondere für die Patientin erhebliche Folgen haben kann. Erscheint eine Angeklagte etwa unter Vorlage eines unzureichenden Attestes nicht zur Hauptverhandlung in einer Strafsache, so kann dies unter Umständen sogar eine Inhaftierung rechtfertigen. Ein unzureichend ausgestelltes Attest bergründet bei strenger Prüfung sogar den Anfangsverdacht einer Straftat des Arztes gemäß § 278 StGB (Ausstellen eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses).
Anders als im Arbeitsrecht, wo dem ärztlichen Attest ein eigener Beweiswert zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit beikommt, entscheidet über die Frage, ob eine Person verhandlungsunfähig ist, ausschließlich das Gericht. Dem Arzt kommt eine gutachterähnliche Rolle zu, im Rahmen derer durch das Attest die zur Beurteilung notwendigen Tatsachen geliefert werden müssen. Aus dem Attest muss sich für das Gericht überprüfbar ergeben, warum eine Patientin nicht in der Lage sein soll, ihrer Verpflichtung zur Teilnahme an einem Gerichtstermin nachzukommen. Eine Patientin kann von der Verpflichtung zur Teilnahme an einem Gerichtstermin nur dann entbunden werden, wenn das Gericht ihre Verhandlungs- oder Reiseunfähigkeit feststellen kann.
Die Anforderungen an die Verhandlungsunfähigkeit übersteigen die Anforderungen an die Arbeitsunfähigkeit bei Weitem. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 1979 definiert, wann eine Person als Verhandlungsfähigkeit gilt. Das soll immer dann der Fall sein, wenn sie nicht in der Lage ist, ihre Interessen innerhalb und außerhalb der Verhandlung vernünftig wahrzunehmen und wenn sie keine Prozesserklärungen abgeben oder entgegennehmen kann (vgl. BVerfG, NJW 1979, 2349). Maßstab ist dabei der konkret anstehende Verfahrensabschnitt mit seinen spezifischen Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Betroffenen. Verhandlungsunfähigkeit wird man etwa dann annehmen können, wenn aufgrund eines akuten Migräneanfalls erhebliche Konzentrationsschwierigkeiten bestehen oder die Fähigkeit zur Artikulation und Wahrnehmung aufgrund eines Schlaganfalls mit motorischer oder sensorischer Aphasie eingeschränkt ist. Darüber hinaus liegt Verhandlungsunfähigkeit nach der geltenden Rechtsprechung auch vor, wenn die Fortführung des Verfahrens mit einer konkreten Lebens- oder schwerwiegenden Gesundheitsgefährdung verbunden ist (vgl. BVerfG, NJW 1979, 2349). Es bedarf tief greifender Beeinträchtigungen, die man etwa annehmen wird, wenn ein akuter ST-Hebungsinfarkt oder wenn eine respiratorische Insuffizienz vorliegt. Demgegenüber dürfte ein nicht verifizierter Magen-Darm-Infekt oder eine nicht näher definierte psychische Ausnahmesituation, mit der in vielen Fällen die Verhandlungsunfähigkeit begründet wird, eher nicht in der Lage sein, eine Person von der Verpflichtung zum Erscheinen zu entbinden. Grundsätzlich gilt aber, dass eine Einzelfallentscheidung vorzunehmen ist, bei der neben dem Krankheitsbild auch die Verfahrenssituation berücksichtigt werden muss.
Darüber hinaus ist ein Erscheinen zum Gerichtstermin nicht möglich, wenn nach Art und Umfang einer Erkrankung die Fahrt zum Verhandlungsort nicht zumutbar ist (vgl. BayObLG, NStZ-RR 2003, 78). Das wird man etwa nach Operationen annehmen können. Auch Magen-Darm-Erkrankungen können aus diesem Gesichtspunkt wegen fehlender Reisefähigkeit ein Nichterscheinen rechtfertigen, wobei dann eine akute Diarrhoe oder eine akute Gastroenteritis feststellbar sein muss. Andererseits sind Patientinnen aber gehalten, Anstrengungen (auch finanzieller Natur) zu unternehmen, um ihr Erscheinen sicherzustellen. Dies beinhaltet in Fällen der Immobilität auch die Beauftragung eines Taxis oder Krankentransports.
Um es dem Gericht zu ermöglichen, eine Entscheidung über die Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit einer Person zu treffen, ist beim Attest ein Mindestinhalt erforderlich. Diesen hat das Oberlandesgericht Köln in einer Entscheidung aus dem Jahr 2009 zusammengefasst (vgl. OLG Köln, NStZ-RR 2009, 112). Neben allen zur Individualisierung der Patientin erforderlichen persönlichen Daten ist es erforderlich, dass eine konkrete Diagnose gestellt wird, wobei auch die Darlegung des Diagnoseverfahrens erforderlich ist.
Ein Attest darf nur nach unmittelbarem Patientinnenkontakt und eigener Anamnese gestellt werden. Soweit das Attest auf rein fremdanamnestische Schilderungen gestützt wird, muss sich dies aus dem Attest ergeben. Es muss sich ferner ergeben, warum die Patientin nicht in der Lage ist, ihre Interessen im Prozess wahrzunehmen, welche schwere Gesundheitsfolge bei einer Wahrnehmung des Termins droht oder warum der Patientin der Weg zum Gericht nicht zumutbar sein soll. Die Darstellungen müssen so konkret sein, dass das Gericht eine eigene Bewertung anstellen kann und auf dieser Grundlage eine eigenständige Bewertung vornehmen kann. Den Aufwand der Erstellung des Attests kann der Arzt gegenüber der Patientin privat liquidieren, ein Kostenanspruch gegen die Landeskasse besteht nicht.
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