Schilddrüse

Schwangerschaft - Erkrankungen - Schilddrüse

Einführung:
Die Schilddrüse, ein kleines, schmetterlingsförmiges Organ, liegt wie ein Schild vor der Luftröhre unterhalb des Kehlkopfes. Im Normalfall ist sie klein und weder zu sehen noch zu tasten. Ihre Aufgabe ist es, aus dem Spurenelement Jod und anderen Baustoffen bestimmte Signalstoffe, Hormone genannt, herzustellen, zu speichern und über das Blut an den Körper abzugeben. Diese Schilddrüsenhormone regeln sämtliche Stoffwechselvorgänge im Körper und halten sie im Gleichgewicht. Sie steuern das Wachstum und sorgen dafür, dass sich Nervensystem, Kreislauforgane, Drüsen und Muskulatur im Kindesalter normal entwickeln und auch später reibungslos funktionieren. Schilddrüsenhormone sind also lebensnotwendig. Zur Bildung der Schilddrüsenhormone - das wichtigste heißt Thyroxin - benötigt die Schilddrüse ausreichend Jod, welches der Mensch aus Lebensmitteln wie z. B. Seefisch oder Milchprodukten zu sich nimmt. Die geschätzte Jodmenge, die über die tägliche Nahrung einschließlich Jodsalz aufgenommen wird, beträgt durchschnittlich 120 µg und liegt damit etwa 70 µg unter der empfohlenen Zufuhr.

Endokrinologische Steuerung der Schilddrüse außerhalb einer Schwangerschaft:
Unter der Kontrolle des im Hypothalamus (einem Abschnitt im Zwischenhirn) ausgeschütteten Thyreotropin-Releasing-Hormons (TRH) kommt es im Hypophysenvorderlappen (einer Hirnanhangdrüse) zur Sekretion von Thyreoidea-stimulierendem Hormon (TSH). Dieses fördert in der Schilddrüse die Ausschüttung von Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3), den eigentlichen Schilddrüsenhormonen. T3 entsteht dabei auch durch Verstoffwechselung von T4. Wichtig ist die negative Rückkopplung von T3 und T4 auf die Freisetzung von TRH und TSH, womit niedrige Spiegel der Schilddrüsenhormone im Hypothalamus bzw. in der Hypophyse zur vermehrten Abgabe von TRH und - diagnostisch genutzt - TSH führen. Die eigentliche biologische Wirkung von T3 und T4 wird dabei vor allem über nicht an Proteine gebundene "freie" Formen (fT3/fT4) vermittelt. Das wichtigste Protein, welches Schilddrüsenhormone bindet, heißt Thyroxin-bindendes Globulin (TBG).

Physiologische Veränderungen der Schilddrüsenfunktionsparameter in der Schwangerschaft:
In der Schwangerschaft führen zum einen das größere Verteilungsvolumen mit physiologischer Hämodilution und die fetoplazentare Einheit als zusätzlicher Verteilungsraum zu einem Mehrbedarf an mütterlichen Schilddrüsenhormonen. Zusätzlich produziert der in der Gebärmutter sich entwickelnde Mutterkuchen (die Plazenta) Östrogene. Diese stimulieren in der Leber die Synthese von TBG, was mehr T4 bindet und somit der biologischen Wirkung entzieht. Weiterhin verstoffwechselt der Mutterkuchen T4 zu T3. Auch geht ein Teil des T4 über die Plazentaschranke an den fetalen Kreislauf verloren. Dies alles erklärt einen um bis zu 50 % gesteigerten Mehrbedarf an Jod und Schilddrüsenhormonen in der Schwangerschaft.

Über die negative Rückkopplung der Schilddrüsenhormone an das Gehirn werden in der Folge aber die eigentlich verminderten Schilddrüsenhormonspiegel wieder durch eine leicht gesteigerte Sekretion von TRH und TSH aufgefangen, was letztendlich dann doch zu normalen fT3- und fT4-Spiegeln führt.

Im ersten Schwangerschaftsdrittel steigt das Schwangerschaftshormon hCG an. Es ist strukturverwandt mit TSH. Auch hCG stimuliert die Schilddrüse zur Produktion von Hormonen. In der Folge kommt es in dieser Zeit zu einem Abfall des TSH-Spiegels im Blut, gelegentlich ist TSH fast nicht mehr nachweisbar. Besonders häufig ist dies aufgrund der höheren hCG-Konzentrationen bei Frauen mit Mehrlingsschwangerschaften zu sehen. Um diesem Rechnung zu tragen, wird der TSH-Referenzbereich bei Schwangeren im Vergleich zu Nicht-Schwangeren Frauen enger gefaßt, mit einem physiologisch niedrigeren unteren und oberen Grenzwert. Bis zur 18. Schwangerschaftswoche, wenn die hCG-Spiegel wieder gesunken sind, normalisieren sich die TSH-Werte wieder. Trotzdem besteht bei einigen der gesunden werdenden Mütter auch bei zu niedrigem TSH-Spiegel die ganze Zeit eine normale Schilddrüsenfunktion. Es liegt bei diesen gesunden Schwangeren nur eine sogenannte latente (subklinische) Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) vor.
Empfohlene TSH-Referenzbereiche während der Schwangerschaft:
1. Schwangerschaftsdrittel 0,1 - 4,0 mU/l
2. Schwangerschaftsdrittel 0,2 - 4,5 mU/l
3. Schwangerschaftsdrittel 0,3 - 4,5 mU/l

Die Referenzbereiche sind nicht allgemein gültig, sondern schwanken je nach verwendeter Labormethode. Außerdem gibt es keine einheitliche Lehrmeinung für diese Referenzbereiche. Andere Quellen verwenden folgende Werte: 

Ebenfalls empfohlene TSH-Referenzbereiche während der Schwangerschaft (vor allem geeignet für Risikopatientinnen):
1. Schwangerschaftsdrittel 0,1 - 2,5 mU/l
2. Schwangerschaftsdrittel 0,2 - 3,0 mU/l
3. Schwangerschaftsdrittel 0,3 - 3,0 mU/l


Auch für fT4 und fT3 ändern sich die Referenzbereiche in der Schwangerschaft, sind in der Regel deutlich niedriger als sonst.

Beispiel für fT4-Referenzbereich während der Schwangerschaft:
1. Schwangerschaftsdrittel 9,4 - 15,3 pg/ml
2. Schwangerschaftsdrittel 7,5 - 13,2 pg/ml
3. Schwangerschaftsdrittel 6,5 - 12,1 pg/ml
Beispiel für fT3-Referenzbereich während der Schwangerschaft:
1. Schwangerschaftsdrittel 2,46 - 3,89 pg/ml
2. Schwangerschaftsdrittel 2,09 - 3,55 pg/ml
3. Schwangerschaftsdrittel 2,01 - 3,27 pg/ml
Schwangerschaft und Jod:
Wenn eine Frau schwanger wird, steigt aufgrund der gesteigerten Hormonsynthese auch ihr Jodbedarf an. Zudem verliert sie mehr Jod über die Nieren und auch der Nachwuchs braucht einen Teil des durch den Mutterkuchen auf das Kind übertragbaren Spurenelements. Die Schilddrüse des Feten zieht ungefähr ab der 16. Schwangerschaftswoche Jod aus dem Blutkreislauf ab und beginnt mit der eigenen Hormonproduktion. Steht Jod der Schwangeren nicht in ausreichender Menge zur Verfügung, kann nicht genügend Schilddrüsenhormon produziert werden. Folglich sinkt der Spiegel des Hormons im Blut. Dieser Mangel wird an das Gehirn zurückgemeldet, das die Schilddrüse daraufhin über das in der Hirnanhangdrüse gebildete Hormon TSH anregt, selbst mehr Hormone für den Stoffwechselbedarf zu produzieren. In ihrem Bestreben, sich an diese Situation anzupassen, vergrößert sich schlimmstenfalls die Schilddrüse krankhaft, um auch noch geringste Mengen von Jod aufnehmen zu können. Es entstehen ein Kropf (Struma) und eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose).
Der erhöhte Jodbedarf in der Schwangerschaft lässt sich mit der zusätzlichen Einnahme von 100-150 µg Jod am Tag ausreichend kompensieren. Spätestens nach dem ersten Schwangerschaftsdrittel, möglichst aber schon 6-12 Wochen vor einer geplanten Schwangerschaft sollte damit begonnen werden. Vorher sollte überlegt werden, welche Mittel sonst noch eingenommen werden. Vitamin-, Algen- und Tangpräparate enthalten nämlich häufig auch schon Jodid. Aus noch nicht sicher geklärten Gründen kann bei Vorliegen einer sogenannten Hashimoto-Thyreoiditis auch eine zu hohe Jodzufuhr eine Hypothyreose auslösen. Deshalb sollte die empfohlene Menge auch nicht überschritten werden. Als noch unbedenklich wird eine Gesamttagesaufnahme von 500 µg Jod erachtet. Die Empfehlung zur Substitution mit 100-150 µg Jod gilt grundsätzlich auch für Frauen mit der erwähnten Hashimoto-Thyreoiditis und einem Morbus Basedow in Remission. Ausgenommen von der Empfehlung sind Schwangere und Stillende mit Hyperthyreose aufgrund eines Morbus Basedow oder einer Schilddrüsenautonomie, da hier durch Jodeinnahme die Überfunktion gestärkt werden kann. 

Die fetale Schilddrüse:
Die fetale Schilddrüse beginnt etwa in der 16. Schwangerschaftswoche mit der Produktion von Schilddrüsenhormonen. Bis zu dieser Zeit sind es allein die mütterlichen Schilddrüsenhormone, welche die adäquate Versorgung des Feten gewährleisten können. Auch danach bleibt der Fet aufgrund geringer Reserven auf die mütterliche Zufuhr von Schilddrüsenhormonen bis zur Geburt angewiesen. Die Schilddrüsenhormone werden dem Fetus über die Plazenta bereitgestellt. Sie sind vor allem für eine normale neurologische und neurokognitive Entwicklung unabdingbar, also von erheblicher Bedeutung für die Reifung des fetalen Gehirns. Die Folgen einer Unterversorgung reichen von leichter Intelligenzminderung bis zu schwerer verzögerter geistiger Entwicklung, Taubheit und Mißbildungen des Skeletts. Das Vollbild dieser Erkrankung wird Kretinismus genannt.

Diagnostik von Schilddrüsenfunktionsstörungen:
Im Blut wird TSH bestimmt, bei Verdacht auf eine Unterfunktion auch das freie Thyroxin (fT4) und die sogenannten Schilddrüsenautoantikörper Anti-TPO-AK (auch MAK genannt), bei Verdacht auf eine Überfunktion in erster Linie die TSH-Rezeptor-Autoantikörper TRAK. Aufgrund von tageszeitlichen Schwankungen, welche 20-30 % um den Tagesmittelwert betragen, bevorzugt man die morgendliche Bestimmung der Schilddrüsenlaborparameter. Das Tagesmaximum wird zwischen 20 und 2 Uhr erreicht, das Minimum zwischen 7 und 13 Uhr. Akuter Schlafentzug erhöht deutlich den TSH-Spiegel. Der Normalwert für TSH schwankt im ersten Schwangerschaftsdrittel zwischen 0,1 und 4,0 mU/l (2,5 mU/l), danach sollte er unter 4,5 mU/l (3 mU/l) liegen.


Als Risikofaktoren für eine Schilddrüsenerkrankung in der Schwangerschaft gelten:

  • Zustand nach Fehl-/Frühgeburt oder Infertilitätsanamnese
  • Anamnestischer Hinweis oder klinischer Verdacht auf Hypo-/Hyperthyreose
  • Schilddrüsenerkrankungen in der Eigen-/Familienanamnese
  • Positiver Antikörperstatus (Anti-TPO-AK, TRAK)
  • Bestehende Struma
  • Zustand nach Schilddrüsen-OP oder Radiatio am Hals/Nacken
  • Thyreotoxische Medikamente
  • Alter über 30 Jahre
  • BMI über 40 kg/m²
  • Multiparität
  • Diabetes mellitus Typ 1
  • Autoimmunerkrankungen
  • Wohnort in einem ausgeprägten Jodmangelgebiet


Eine TSH-Bestimmung sollte auf jeden Fall bei Frauen mit geplanter assistierter Reproduktion oder bekannten positiven TPO-AK erfolgen. In dieser Gruppe gilt bereits ein TSH über 2,5 mU/l als erhöht.


Liegt der TSH beim Screening einer Schwangeren über 2,5 mu/l, ist es sinnvoll die TPO-AK zu bestimmen.


Bei laborchemischen Nachweis einer manifesten Schilddrüsenfunktionsstörung, wie es eine
Hypothyreose, Hyperthyreose oder Hashimoto-Thyreoiditis darstellen, sollte in der Schwangerschaft eine weitere diagnostische Abklärung mittels Schilddrüsensonographie erfolgen.

Der obere Normwert des Schilddrüsenvolumens liegt außerhalb der Schwangerschaft bei 18 ml, in der Schwangerschaft findet im Verlauf eine vorübergehende Volumenzunahme um 10-15 % statt, welche bei ausgeprägtem Jodmangel auf bis zu 40 % ansteigen kann. Gerade bei vergrößerten Schilddrüsen können sich Knoten in der Schilddrüse bilden. Bei Nachweis müssen Knoten über 1 cm Größe nach der Schwangerschaft durch Schilddrüsenszintigraphie weiter abgeklärt werden. Damit können aktive (warme) von inaktiven (kalten) Knoten unterschieden werden. Durch die Feinnadelpunktion eines Knotens kann gezielt Material für eine zytologische Untersuchung gewonnen werden. Schilddrüsenkarzinome, die es auszuschließen gilt, sind selten und in warmen Knoten eine Rarität. Daher müssen vor allem kalte Knoten abgeklärt werden.

Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose):
Die Schilddrüsenunterfunktion ist ein ernstzunehmendes Problem in der Schwangerschaft. Als manifeste Hypothyreose gilt im ersten Schwangerschaftsdrittel eine TSH-Erhöhung über 4,0 mU/l bei erniedrigten fT4 oder ein TSH >10 mU/l unabhängig von der fT4-Konzentration. Als latente (subklinische) Unterfunktion gilt ein Anstieg des TSH über 4,0 mU/l bei noch normaler Schilddrüsenfunktion, also Schilddrüsenhormonspiegeln in der Norm.

Etwa 5 % aller Schwangeren weisen heutzutage entweder eine latente oder manifeste Hypothyreose auf. Hauptursache dürfte der Jodmangel sein. In 15-20 % der Fälle kann eine Erhöhung der Antikörper gegen die thyreoidale Peroxidase (Anti-TPO-AK) im Sinne einer chronischen Entzündung der Schilddrüse, einer sogenannten Hashimoto-Thyreoiditis, für die Unterfunktion verantwortlich gemacht werden. Auch zurückliegende Strumaoperationen und Radiojodbehandlungen der Schilddrüse haben eine Unterfunktion zur Folge.

Für Schwangere ohne nachweisbare TPO-AK mit einem TSH-Wert unter 10 mU/l ist von keinem erhöhten Komplikationsrisiko für die Kinder auszugehen. Darüber hinaus sind sogenannte neurokognitive Entwicklungsstörungen der Kinder nicht auszuschließen. Folgen der Hypothyreose bei der Schwangeren können eine chronische Verstopfung, eine Verdopplung des Fehlgeburtsrisikos, eine Erhöhung der Frühgeborenen-Rate, eine vorzeitige Lösung des Mutterkuchens und die Entwicklung einer schwangerschaftsassoziierten Bluthochdruckerkrankung (SIH) sein.

Eine isoliert verminderte fT4-Konzentration (bei normalem TSH) wird als Hypothyroxinämie bezeichnet. Die Ursache erscheint multifaktoriell. Eine Behandlung mit Schilddrüsenhormonen wird aktuell nicht empfohlen.

Die Behandlung der Hypothyreose sollte in der Schwangerschaft aus der Verordnung von Jodid (in der Regel schon in Nahrungsergänzungsmitteln vorhanden) und dem Medikament Levothyroxin bestehen. Begonnen wird bei TSH-Werten zwischen 2,5 und 5 mU/l mit der Einnahme 50 µg Levothyroxin pro Tag. Falls möglich, sollte die Therapie in der Schwangerschaft nicht eingeschlichen werden. Die L-Thyroxin-Dosis sollte bedarfsgerecht angepasst werden: Sinnvoll wäre bei TSH-Werten zwischen 5 und 10 mU/l die zusätzliche Gabe von 25-50 µg L-Thyroxin, zwischen 10 und 20 mU/l von 50-75 µg sowie bei TSH-Konzentrationen von über 20 mU/l von 100 µg zusätzlichem L-Thyroxin.
Die Schilddrüsenmedikation sollte morgens nüchtern 30-60 Minuten vor einer ersten Nahrungsaufnahme mit einer neutralen Flüssigkeit (idealerweise Wasser, kein Obstsaft oder Kaffee) eingenommen werden. Bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme wäre die Resorption aufgrund des niedrigeren Magensäuregehaltes eingeschränkt, da die hierzu notwendigen Albumine im Blut teils mit Nährstoffen beladen wären. So reduziert eine fettreiche Mahlzeit die Resorption um 40 %, aber auch der alleinige Genuss von Kaffee reduziert die Resorption schon um ca. 33 %.
Eine "vergessene" Tablette ist vernachlässigbar, es sollte keine doppelte Einnahme am Folgetag stattfinden.
Ziel ist ein TSH-Wert unter 2,5 mU/l im ersten, unter 3 mU/l im zweiten und unter 3,5 mU/l im letzten Schwangerschaftsdrittel. Geringe Über- oder Unterschreitungen dieser Werte sind nicht mit schwerwiegenden Folgen verbunden.
Häufig steigt der Hormonbedarf im Verlauf der Gravidität. Eine Zunahme um ein Drittel, zumindest im letzten Schwangerschaftsdrittel, ist normal. Grund ist der kontinuierliche Anstieg des sogenannten Thyroxin-bindenden Globulins (TBG) im Blut. Dadurch nimmt die Konzentration der freien Hormone ab, die in den Zellen wirken. Die Einstellung der Hormone sollte zumindest in dreimonatigen Abständen anhand der TSH- und ggf. fT4-Werte geprüft werden oder auch 4 Wochen nach einer Dosisänderung. Der Abstand ergibt sich aus der langen Halbwertszeit von Levothyroxin von einer Woche. Die Bioverfügbarkeit verschiedener Handelspräparate ist nicht identisch, so dass bei guter Verträglichkeit kein Präparatewechsel erfolgen sollte. Gegen Thyroxin als Hormon existiert keine Allergie. Allerdings gibt es Unverträglichkeiten und Allergien gegen diverse Begleitstoffe der L-Thyroxin-Präparate, so dass ein Austausch des Präparates in diesen Fällen sinnvoll sein kann, da deren Komposition erheblich variieren kann.

Bei schon vor der Schwangerschaft bestehender Medikation muss von einem sofortigen Mehrbedarf um 25-30 % bei Nachweis der Schwangerschaft ausgegangen werden.

Die Empfehlungen zur Einnahme von Jodid gelten in der Regel auch für Frauen mit Hypothyreose bei einer chronischen Autoimmun-Thyreoiditis vom Typ Hashimoto (Hashimoto-Thyreoiditis). Diese Patientinnen werden außerhalb von Schwangerschaften ausschließlich mit Levothyroxin behandelt, denn es wird vermutet, dass zu viel Jodid den Autoimmunprozess stimulieren könnte. Doch auch bei Frauen mit Hashimoto-Thyreoiditis geht es bei der Jodidzufuhr in der Schwangerschaft um die Jodzufuhr für das Kind. Die Therapie orientiert sich am TSH-Spiegel (Zielbereich <2,5 mU/l) und am fT4-Serumspiegel, der im oberen Referenzbereich liegen soll. Die Antikörper können den Mutterkuchen (Plazenta) passieren. Bei Neugeborenen, deren Mütter eine Hashimoto-Thyreoiditis aufweisen, ist die Gefahr einer eigenen Schilddrüsenunterfunktion deshalb erhöht, weshalb nach der Geburt Schilddrüsenfunktions-Kontrollen empfohlen werden.

Der in der Schwangerschaft steigende Schilddrüsenhormonbedarf bei Frauen mit Unterfunktion sinkt nach der Entbindung allmählich wieder ab, weil auch der Östrogenspiegel und damit das Thyroxin-bindende Globulin abnimmt. Ca. 6 Wochen nach der Geburt fällt der Thyroxinbedarf der Mutter wieder auf das ursprüngliche Niveau ab. Stillen allerdings steigert den Bedarf, das muss bei einer medikamentösen Einstellung beachtet werden. Die Thyroxindosis kann häufig direkt nach der Entbindung um 25 µg verringert werden. Sinnvoll ist eine erste Laborkontrolle vier Wochen nach der Geburt. Eine stabile Schilddrüsenfunktion bei diesen Frauen wird meist innerhalb von 6 Monaten wieder erreicht.

Außerhalb der Zeit des Kinderwunsches (siehe Anhang) bzw. der Schwangerschaft/Stillzeit wird bei Beschwerdefreiheit und normal großer Schilddrüse in der Regel erst bei einem TSH >10 mU/l mit Levothyroxin therapiert. Bei TSH-Werten von 4,5-10 mU/l und entsprechenden Symptomen, die auf eine Schilddrüsenunterfunktion hinweisen, sollten 25-50 µg Levothyroxin pro Tag gegeben werden, bis die Patientin symptomfrei ist.

Indikationen zur Therapie einer Schilddrüsenunterfunktion außerhalb einer Schwangerschaft sind im einzelnen:
  • eine manifeste Unterfunktion,
  • Kinderwunsch,
  • eine latente Unterfunktion in Kombination mit einem typischen hypothyreotischen klinischen Befund oder positivem TPO-AK-Nachweis,
  • eine knotig vergrößerte Schilddrüse oder
  • eine latente Unterfunktion mit einem TSH-Wert >10 mU/l.
Mit Levothyroxin voll substituierte Hypothyreosen benötigen außerhalb der Zeiten von Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillzeit kein zusätzliches Jod.
Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose):
Sind die freien Schilddrüsenhormone erhöht und TSH unter der Norm, spricht man von einer manifesten Schilddrüsenüberfunktion. Sie ist z. B. Folge der Entwicklung von Knoten überaktiven Gewebes, sogenannter autonomer Schilddrüsenknoten. Bei einer Hyperthyreose entwickelt die Patientin häufig ein verstärktes Schwangerschaftserbrechen, Hyperemesis gravidarum genannt. Auch eine Entzündung der Schilddrüse, Morbus Basedow genannt, kann Ursache einer Schilddrüsenüberfunktion sein. Der Morbus Basedow geht mit einer Erhöhung der TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) einher, seltener zusätzlich auch mit einer Erhöhung der Anti-TPO-Antikörper. Da auch die TSH-Rezeptor-Antikörper die Plazenta passieren können, ist mit einer Hyperthyreose beim Neugeborenen als Basedow-Folge in 1 % der Fälle zu rechnen.

Dagegen weist eine Hashimoto-Thyreoiditis eine isolierte Erhöhung von Anti-TPO-AK auf. Sie kann in einer frühen Phase ebenfalls mit einer Schilddrüsenüberfunktion einhergehen.

Klinische Zeichen der Überfunktion sind z. B. ein Ruhepuls über 100 Schläge/min, eine fehlende Gewichtszunahme oder gar -abnahme trotz normaler Ernährung sowie eine gesteigerte Nervosität. Mögliche Komplikationen in der Schwangerschaft können eine Fehlgeburt, Frühgeburt, die Entwicklung einer Bluthochdruckerkrankung in Kombination mit einer Eiweißausscheidung über den Urin (Präeklampsie) oder ein fetaler Wachstumsrückstand sein.

Die Therapie der Überfunktion richtet sich nach dem Schweregrad der klinischen Symptome und reicht von der Ausgliederung aus dem Arbeitsprozess bis zum Einsatz von Medikamenten, sogenannten Thyreostatika. Diese sind ebenfalls plazentagängig. Bei der Therapie muss deshalb immer berücksichtigt werden, dass das Ungeborene mittherapiert wird und eine Übertherapie zu einer kindlichen Struma und fetaler Schilddrüsenunterfunktion führen kann. Deshalb sollte das Absetzen einer niedrigdosierten medikamentösen Therapie in Betracht gezogen werden. Zudem sinkt im 3. Schwangerschaftsdrittel oft die Höhe der TRAK ab, so dass auch dann noch bei 20-30 % der Frauen eine bestehende thyreostatische Therapie abgesetzt werden kann. Eine Therapie erfolgt im ersten Schwangerschaftsdrittel mit Propylthiouracil (PTU, 50-100 mg), im zweiten und dritten Drittel mit Thiamazol (2,5-5 mg) oder Carbimazol.
Eine Faustregel lautet: 100 mg PTU sind in etwa äquivalent zu 5 mg Thiamazol.
Der Grund für den Wirkstoffwechsel während der Schwangerschaft liegt in der erhöhten Fehlbildungsrate unter Thiamazol in der Frühschwangerschaft. Daher wird auf PTU ausgewichen. Anderseits besteht bei lang dauernder PTU-Therapie das Risiko eines toxischen Leberversagens, sodass nach Abschluss der Organogenese Thiamazol oder Carbimazol verwendet wird. Ziel einer thyreostatischen Therapie ist eine subklinische Hyperthyreose, die TSH-Werte müssen nicht in der Norm liegen. Falls notwendig, kann eine passagere symptomatische Therapie mit Betablockern erwogen werden. Die TSH- und fT4-Spiegel sollten alle 4 Wochen, zu Beginn der Thrapie gegebenenfalls häufiger, kontrolliert und die Dosierung entsprechend angepasst werden. In der 22. bis 28. Schwangerschaftswoche sollte eine TRAK-Bestimmung erfolgen. Im Falle einer Erhöhung um mehr als das Zwei- bis Dreifache ist eine engmaschige Kontrolle des Feten zur rechtzeitigen Diagnose einer Hyperthyreose notwendig. Die aussagekräftigsten Parameter für eine fetale Hyperthyreose sind fetale Tachykardie, vermindertes intrauterines Wachstum, fetale Herzinsuffizienz sowie fetale Struma. Die Plazentagängigkeit der Thyreostatika ermöglicht eine Therapie des Kindes über die Mutter. Aufgrund der möglichen Verschlimmerung eines Morbus Basedow sollte die Schilddrüsenstoffwechsellage sechs und zwölf Wochen nach der Geburt überprüft werden. Die ausgeprägte Überfunktion der Schilddrüse ist in der Schwangerschaft eine Kontraindikation für eine Jodidgabe.
Die Behandlung sollte in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit der Gynäkologen, Hausärzte und Endokrinologen erfolgen.
Hashimoto-Thyreoiditis (Autoimmunthyreoiditis, Chronische lymphozytäre Thyreoiditis):
Auf die Hashimoto-Thyreoiditis, eine entzündliche Veränderung der Schilddrüse, die mit einer Erhöhung der Antikörper gegen die thyreoidale Peroxidase (Anti-TPO-AK) einhergeht, wurde in den Kapiteln Schilddrüsenunter- sowie überfunktion ja schon eingegangen.
Es wird empfohlen, auch bei euthyreoten Frauen, also Frauen mit normalen Schilddrüsenhormonwerten ohne Medikation, und bekannten Antikörpern in der Schwangerschaft alle 4 bis 8 Wochen das TSH zu kontrollieren.
Im Zusammenhang mit der Entzündung spielen die Selenproteine eine wichtige Rolle. Selen ist insbesondere in Fisch, Fleisch, Innereien, Nüssen, Sesam und Getreide enthalten. Das Spurenelement stellt einen sogenannten Radikalfänger dar. Im Laufe einer Schwangerschaft fallen die Selenspiegel um etwa 25 % ab, vermutlich deshalb, weil der Fet sich das Spurenelement von der Mutter holt. Schwangere mit Hashimoto-Thyreoiditis haben laut einer Studie bereits im ersten Schwangerschaftsdrittel erniedrigte Spiegel. Bei erniedrigten Selenkonzentrationen kann es zu einer Schädigung des Schilddrüsengewebes und zu einer Produktion von Anti-TPO-Antikörpern kommen. Umgekehrt kann eine Nahrungsergänzung mit 200 µg Selen täglich, z. B. Cefasel 200 nutri Selen-Tabs®, morgens nüchtern zu einem Abfall dieser Antikörper führen. Die gleichzeitige Einnahme von Reduktionsmitteln, z. B. Vitamin C, sollte unterbleiben, da dann eine Ausfällung von elementarem Selen nicht auszuschließen ist. Es wird vermutet, dass ein Selenmangel zu einem Neuauftritt bzw. zu einer Verschlechterung einer Hashimoto-Thyreoiditis führt. Aus diesem Grunde ist bereits bei Frauen mit Kinderwunsch, spätestens jedoch nach Eintritt einer Schwangerschaft, nicht nur eine vorsorgliche tägliche Einnahme von Jod, sondern auch von Selen sinnvoll. Allerdings ist der Nutzen dieser Maßnahme nicht gesichert. Der Selenspiegel kann bei längerer Einnahme in größeren Abständen überprüft werden, um Überdosierungen mit möglichen negativen Folgen zu vermeiden. Erstes Anzeichen chronischer Überdosierung (beispielsweise 800 µg pro Tag) ist ein knoblauchartiger Atemgeruch. Als weitere Symptome werden z. B. Verdauungsstörungen, Kopfschmerzen, Haarausfall und Veränderungen an den Nerven beschrieben. Bei einer regelmäßigen Zufuhr von Selen wird eine Menge von 200 µg Selen täglich als ungefährlich angesehen.

Stillzeit:
Wichtig ist die Fortsetzung einer Jodid-Supplementation auch in der Stillzeit, um die Versorgung des Neugeborenen sicherzustellen.

Schilddrüsenentzündung nach der Geburt (Post-partum-Thyreoiditis, PPT):
An einer Schilddrüsenentzündung nach der Geburt, Post-partum-Thyreoiditis (PPTD) genannt, erkranken etwa sieben Prozent der Wöchnerinnen drei bis sechs Monate nach der Entbindung. Mögliche Symptome sind Müdigkeit, Leistungsabfall und Stimmungsschwankungen. Die Entzündung bleibt jedoch meist ohne klinische Symptome und verläuft selbstlimitierend. Mit einem Erkrankungsrisiko von 25 % sind Frauen mit Typ-I-Diabetes sowie jene, die Anti-TPO-AK positiv sind, besonders gefährdet. Hier sind nach der Entbindung TSH-Kontrollen besonders sinnvoll, initial vier Wochen nach der Entbindung, danach alle drei Monate bis zu einem Jahr nach der Geburt.

Das Wiederholungsrisiko nach einer weiteren Schwangerschaft liegt bei etwa 70 %. Ursächlich liegt vermutlich eine Immunreaktion der Schilddrüse auf den Kontakt mit fetalen Zellen zugrunde.
Drei Verläufe lassen sich unterscheiden:
  • Die alleinige vorübergehende Hyperthyreose
  • Die vorübergehende Hypothyreose
  • Die vorübergehende Hyperthyreose mit nachfolgender Hypothyreose.
Nach etwa einem Jahr haben fast alle Betroffenen wieder eine normale Schilddrüsenfunktion. Die Hyperthyreose bedarf keiner Behandlung, allerdings muss der Verlauf beobachtet werden. Symptomatische Patientinnen sollten eine Therapie mit Propanolol 3x 20-40 mg tgl. bis zum Abklingen der Symptome erhalten. Auch bei der Hypothyreose ist bei TSH-Werten von 4,5 bis 10 mU/l und Symptomfreiheit keine Behandlung notwendig. Das Risiko, nach einer PPTD einige Jahre später eine manifeste Hypothyreose zu entwickeln, beträgt etwa 50 %. Bei Frauen mit einer PPT in der Vorgeschichte werden daher jährliche Kontrollen des TSH-Spiegels empfohlen.

Früherkennungs-Untersuchung für Kinder:
Die zweite Früherkennungs-Untersuchung für Kinder (U2) findet zwischen dem dritten und zehnten Lebenstag statt. Frauen, die ambulant entbunden haben, sollten entsprechend früh einen Termin mit ihrem Kinderarzt vereinbaren. Ein wichtiger Bestandteil dieser Untersuchung ist das Neugeborenen-Screening auf eine eventuelle Schilddrüsenunterfunktion. Eine frühzeitig behandelte Schilddrüsenunterfunktion bei Neugeborenen kann Entwicklungsverzögerungen, Behinderungen und Intelligenzdefizite verhindern!

Anhang:
Schilddrüsenfunktionsstörungen, Kinderwunsch und Eierstockfunktion:
Bei der Schilddrüsenunterfunktion wird der Mangel an Schilddrüsenhormonen an das Gehirn zurückgemeldet. Es reagiert mit einem erhöhten hormonellen Stimulus eines Teils des Zwischenhirns, dem sogenannten Hypothalamus, wodurch wiederum eine vermehrte Ausschüttung von Hormonen der Hirnanhangdrüse (Hypophyse), nämlich TSH und auch Prolaktin, erfolgt. Letzteres Hormon wiederum beeinflusst andere Hormone der Hirnanhangdrüse. Es resultiert eine Hemmung des Eisprungs. Außerdem wird der Östrogenstoffwechsel beeinflusst und es kommt zu verlängerten Regelblutungen. Eine weitere Folge ist der Anstieg des Testosterons, so das verstärkte Behaarungen vom männlichen Typ bei den betroffenen Frauen beobachtet werden.

Eine Schilddrüsenüberfunktion führt über eine vermehrte Produktion von Östrogen zu einer Eierstockfunktionsstörung, somit Hemmung des Eisprungs und zu seltenen sowie schwachen Regelblutungen. Eine manifeste Hyperthyreose muss immer behandelt werden. Meist besteht auch bei latenter Hyperthyreose eine Therapieindikation. Primär wird ein medikamentöser konservativer Therapieversuch mit Thyreostatika über 12-15 Monate durchgeführt. Hierzu stehen Thiamazol, Carbimazol und Propylthiouracil zur Verfügung, dabei sollte man bei Frauen mit Kinderwunsch Propylthiouracil den Vorzug geben. Eine Operation oder Radiojodtherapie erfolgt bei Rezidiv der Erkrankung, wenn ein schnelleres Erreichen einer normalen Schilddrüsenfunktion erforderlich ist, oder wenn andere Gründe gegen eine primär medikamentöse Therapie sprechen. Bei manifester Hyperthyreose ist eine Jodidgabe kontraindiziert.

Weitere Thyreoiditiden (Entzündungen der Schilddrüse):
  • Subakute granulomatöse Thyreoiditis (Thyreoiditis de Quervain): Differentialdiagnostisch kann bei entzündlichen Schilddrüsenveränderungen an eine subakute De-Quervain-Thyreoiditis gedacht werden. Diese äußert sich durch ein schweres Krankheitsgefühl, begleitet von Muskelschmerzen und subfebrilen Temperaturen. Die Schilddrüse schmerzt und ist druckempfindlich.
  • Fibröse Thyreoiditis (Riedel): Hierbei handelt es sich um eine außerordentlich seltene, ursächlich unklare, chronische, schmerzhafte Schilddrüsenentzündung.
  • Akute eitrige Thyreoiditis: Eine ebenfalls äußerst seltene Form der Thyreoiditis stellt die akute eitrige, schmerzhafte Schilddrüsenentzündung dar.
  • Medikamentös induzierte Thyreoiditis: Einige Medikamente können eine destruktive Thyreoiditis verursachen. Unter den Erkrankungen, bei welchen diese Medikamente eingesetzt werden, kommt es in der Regel aber nicht zum Eintritt einer Schwangerschaft.
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