Obstipation

Gynäkologie - Gutartige Erkrankungen - Obstipation

Obstipation ist keine eigenständige Krankheit, sondern eher ein Symptomenkomplex, der wissenschaftlich nur zum Teil aufgeklärt ist. Etwa 15 Prozent der Frauen und 5 Prozent der Männer sind chronisch beeinträchtigt. Ältere Menschen über 60 Jahre sind häufiger betroffen als junge. Hier spielen chronische Erkrankungen, Immobilität oder regelmäßig eingenommene Medikamente eine Rolle. Dazu kommen Patienten mit akuten Beschwerden.

Typischerweise klagen die Patienten über einen geblähten "vollen" Bauch, Schmerzen im Abdomen sowie unangenehme Toilettengänge mit unvollständiger Entleerung und hartem Stuhlgang.

Die Diagnose "chronische Obstipation" kann gestellt werden, wenn ein Patient über unbefriedigende Stuhlentleerungen berichtet, die seit mindestens drei Monaten bestehen und mindestens zwei der folgenden Leitsymptome aufweisen: starkes Pressen, klumpiger oder harter Stuhl, subjektiv unvollständige Entleerung, subjektive Obstruktion oder manuelle Manöver zur Darmentleerung. Diese treten jeweils bei 25 oder mehr Prozent der Stuhlentleerungen auf. Auch eine Stuhlfrequenz von weniger als drei Stühlen pro Woche ist ein Kriterium.

Eine akute Obstipation tritt typischerweise auf, wenn sich an den Ernährungs- oder Bewegungsgewohnheiten etwas ändert. So trifft es Patienten, die für einen operativen Eingriff im Krankenhaus liegen, sich auf einmal nicht mehr bewegen und andere Kost zu sich nehmen. Diese akuten Beschwerden in besonderen Situationen werden nicht als krankhaft eingestuft. Sie verschwinden rasch, wenn die Person wieder zu Hause im gewohnten Rhythmus ist. Behandlungsbedürftig sind plötzliche Stenosen des Darms, zum Beispiel als Folge einer akuten Divertikulitis oder eines Tumors. Hier kann die Obstipation nur durch Behandlung der Grundursache behoben werden.

Chronische Beschwerden werden in die idiopathische und die sekundäre Obstipation unterteilt. In den meisten Fällen liegt eine idiopathische Obstipation – also ohne erklärbare Ursache – vor. Eine Form der sekundären Obstipation ist die Slow-Transit-Obstipation, die aufgrund von angeborenen oder erworbenen Schädigungen der sensorischen und motorischen Nervenbahnen im Magen-Darm-Trakt auftritt. Die Menschen leiden andauernd unter Obstipation und haben nachgewiesener Weise eine verlangsamte Darmperistaltik und verlängerte Darmpassagezeit, weil das über sensible Nerven gesteuerte Reflexsystem nicht richtig funktioniert. Verweilt der Darminhalt länger im Kolon, wird ihm vermehrt Wasser entzogen. Der Fäzes dickt noch stärker ein und verhärtet sich.

Während der Schwangerschaft scheint der hohe Progesteron-Spiegel einen verlangsamten Darmtransit zu begünstigen. Abgesehen davon haben die Hormonspiegel jedoch nur geringen Einfluss auf die Darmmotilität.

Eine Outlet-Obstipation (Entleerungsstörung) kann als Folge eines gestörten Beckenbodensystems sowie bei Erkrankungen im Analbereich wie Fissuren, Hämorrhoiden oder Analstenosen auftreten. Die Schmerzen bei der Stuhlentleerung führen zu Verkrampfungen des Schließmuskels und die Betroffenen geraten in einen Teufelskreis: Der Stuhl wird aufgrund der zu erwartenden Schmerzen zurückgehalten und verhärtet, In der Folge wird die Entleerung noch unangenehmer.

Bei vielen metabolischen, hormonellen, psychischen und neurologischen Erkrankungen ist sekundär ebenfalls mit Obstipation zu rechnen. Auch neu verordnete Medikamente können Verstopfungsprobleme verursachen. Hier sind Beispiele:
Wirkstoffgruppe: Wirkstoffe (Beispiele):
Anticholinergika Butylscopalamin, Solifenacin, Tolterodin
Antiepileptika Gabapentin
Calciumantagonisten Verapamil
Diuretika Thiazide
Mineralsalze Eisen-, Calcium-, Aluminium-Salze
Gestagene Progesteron
Ionenaustauscher Colestyramin
Antipsychotika Haloperidol
Opiode Morphin, Codein
Parkinsontherapeutika
MAO-Hemmer, Levodopa, Bromocriptin
Trizyklische Antidepressiva
Amitriptylin, Imipramin, Doxepin
Die S2k-Leitlinie Chronische Obstipation (Stand 2013) umfasst allgemeine Maßnahmen zur Umstellung der Lebensgewohnheiten, Arzneimittel und in seltenen schweren Fällen medizinische Spezialbehandlungen, zum Beispiel chirurgische Eingriffe. Gemäß der Intensität der Beschwerden wird die Therapie stufenweise angepasst. Unterschieden wird zwischen Obstipation ohne und mit Entleerungsstörung:
Obstipation ohne Entleerungsstörung
Stufe Therapie
Ia Ausreichend Flüssigkeitszufuhr und Bewegung, ballaststoffreiche Ernährung
Ib Zusätzliche Balaststoffe (z.B. Flohsamenschalen, Weizenkleie)
II 1. Wahl Macrogol, Bisacodyl, Natriumpicosulfat
2. Wahl Zuckerstoffe (z.B. Lactulose, Anthrachinone)
ggf. Wechsel des Präparats
ggf. Kombinationstherapie Stufe Ib + II und innerhalb II
evtl. Suppositorien/Klysmen
III Prucaloprid
IV Kombinationstherapien Stufe I bis III
Klysmen, Lavage
Opioidantagonisten bei Opiod-bedingter Obstipation
V
Sakralvenenstimulation
Chirurgie (z.B. subtotale Colektomie)
Obstipation mit Entleerungsstörung
Stufe Therapie
Ia Ausreichend Flüssigkeitszufuhr und Bewegung, ballaststoffreiche Ernährung
Ib Zusätzliche Balaststoffe (z.B. Flohsamenschalen, Weizenkleie)
II Suppositorien/Klysmen
III Strukturell, ggf. Chirurgie
Funktionell Biofeedback
+/- Laxans +/- Klysma +/- Suppositorien
Basismaßnahmen und Ballaststoffe:
Nach der Umstellung der Lebensgewohnheiten werden bei Stuhlunregelmäßigkeiten und leichten Beschwerden Ballaststoffe, zum Beispiel Leinsamen und Flohsamenschalen, empfohlen. Diese sorgen durch Stuhlvergrößerung und vermehrte Flüssigkeitsaufnahme für einen Dehnungsreiz im Enddarm und lösen so die Defäkation besser aus. Die Regulierung der Verdauung mit Ballast- und Quellstoffen ist mild, reicht aber bei Patienten mit verlangsamter Darmpassage oft nicht aus. Die Wirkung von Quellstoffen setzt erst nach etwa zwei bis drei Tagen ein. Vielen dauert das zu lange. Sie wollen schnelle Hilfe, zum Beispiel durch stärkere Laxanzien, Klistiere oder Zäpfchen, die bereits nach kurzer Zeit die Defäkation auslösen.

Osmotisch aktive Wirkstoffe:
Osmolaxanzien binden über osmotische Effekte die Flüssigkeit im Darmlumen und vermindern deren Rückresorption. Wie bei den Quellstoffen nimmt das Stuhlvolumen zu und der Defäkationsreiz wird frühzeitiger ausgelöst. Lactulose und Macrogole sind die Hauptvertreter der Osmolaxanzien. Macrogole werden im Gegensatz zur Lactulose nicht von Darmbakterien abgebaut, sodass deren typische Nebenwirkungen Flatulenz und Meteorismus hier nicht auftreten und die Einnahme als verträglicher gilt. Macrogole werden in Wasser aufgelöst und können unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden. Die Präparate gibt es aromafrei oder mit verschiedenen Geschmacksrichtungen – ein Vorteil bei der Anwendung bei Kindern. Der Wirkungseintritt von Lactulose und Macrogolen ist nach einem bis zwei Tagen zu erwarten. Macrogole werden nahezu unverändert ausgeschieden.
Für Patienten mit Polymedikation eignen sich Osmolaxanzien auch deshalb, weil sie keine Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen eingehen. Sie können täglich, zum Beispiel bei Patienten mit chronischen Erkrankungen oder unter Opioidtherapie, eingenommen werden, ohne schädliche Langzeiteffekte zu haben.
Macrocole mit Elektrolytzusatz sind nur nötig, wenn eine Darmlavage, also Darmspülung, zum Beispiel bei Kotstau (Koprostase) oder vor einer Operation, nötig ist. Ein Nachteil ist, dass der Geschmack etwas salziger ist.

Darmstimulanzien:
Unter den darmstimulierenden Abführmitteln gibt es die chemisch definierten Arzneistoffe Natriumpicosulfat und Bisacodyl sowie pflanzliche Extrakte, die Anthraglykoside enthalten. Zwei Mechanismen sorgen für die abführende Wirkung von Natriumpicosulfat und Bisacodyl: Die Stimulation der Dickdarmmuskulatur steigert die Motilität, und die Hemmung der Wasserresorption vergrößert das Stuhlvolumen. Bisacodyl und Natriumpicosulfat werden erst im Dickdarm in die Wirkform umgewandelt. Dort wirkt das entstandene Diphenol über die Reizung der glatten Darmmuskulatur. Der abführende Effekt tritt etwa nach sechs bis acht Stunden ein. Der optimale Einnahmezeitpunkt liegt am Abend, um am nächsten Morgen zur Toilette gehen zu können. Bisacodyl-Zäpfchen wirken schon nach etwa 30 bis 60 Minuten und sind für die Akutbehandlung geeignet. Natriumpicosulfat in Tropfenform hat den Vorteil, dass das Medikament sehr individuell und fein dosiert werden kann.
Pflanzliche Extrakte wie z. B. Sennoside sind ebenfalls Prodrugs, die nicht resorbiert werden. In der Darmwand werden sie von Darmbakterien zur eigentlichen Wirkform umgewandelt. Diese stimuliert die Motilität des Dickdarms und beschleunigt so den Transit. Zusätzlich werden die Schleim- und Flüssigkeitssekretion angeregt; dies führt zur Erweichung und Volumenzunahme des Stuhls. Eine Stuhlentleerung ist etwa acht bis zwölf Stunden nach der Einnahme zu erwarten. Pflanzliche Abführmittel werden als Tees, Tabletten oder Granulate angeboten und sollten mit ausreichend Flüssigkeit eingenommen werden.

Rektale Abführmittel:
Klistiere, Zäpfchen und salinische Einläufe sind zur kurzfristigen Anwendung bei Obstipation geeignet. Außerdem sind sie Therapie der Wahl zur Erleichterung der Darmentleerung und Erweichung des Stuhls bei Einrissen in der Afterschleimhaut, Hämorrhoiden, operativen Eingriffen und als Vorbereitung bei Operationen und/oder Untersuchungen.
Sie ziehen Wasser in das Darmlumen und erweichen so den Stuhl. Nach spätestens etwa 30 bis 60 Minuten kann man mit Stuhlabsatz rechnen. CO2-Bildner in Zäpfchen stimulieren den Defäkationsreiz. Die rektal anzuwendenden Laxanzien gelten als gut verträglich, auch bei Kindern und Schwangeren.

5-HT4-Agonist:
Wenn die beschriebenen Wirkstoffe keinen ausreichenden Erfolg erzielen, ist das verschreibungspflichtige Prucaloprid eine Option, den Transit durch den Darm anzuregen. Prucaloprid ist der erste Wirkstoff einer neuen Klasse hoch selektiver Serotonin(5-HT4)-Rezeptoragonisten. Prucaloprid löst im Dickdarm durch Stimulierung der 5-HT4-Rezeptoren in den Darmwandnerven einen physiologischen peristaltischen Reflex aus. Dies beschleunigt die Darmpassage, fördert die Bewegung des Darminhalts im Dickdarm und verbessert signifikant dessen Entleerung. Bei Patienten mit starker Nieren- oder Leberinsuffizienz sollte die Tagesdosis auf 1 mg halbiert werden. Kontraindikationen sind schwere entzündliche Darmerkrankungen, Darmperforationen oder Verstopfung infolge einer strukturellen oder funktionellen Erkrankung der Darmwand sowie Schwangerschaft und Stillzeit. Häufige Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Durchfall und Bauchschmerzen.
Wirkstoffklasse, Wirkstoffe:
Wirkprinzip: Einsatzgebiete: Produktbeispiele:
Quell- und Ballaststoffe
Flohsamen,
Flohsamenschalen,
Leinsamen, Weizenkleie
Volumenzunahme durch
Wasserbindung, Auslösung der
Defäkation
Chronische Obstipation, erste Wahl in der
Schwangerschaft
Mucofalk, Agiocur, Linusit
Makromoleküle
Macrogol (PEG 3350 bis
4000)
Osmotische Wasserretention im
Darmlumen, Auslösung der Defäkation
Chronische Obstipation, z.B. als Co-Medikation
zu Opioden, möglich in der Schwangerschaft
und bei Kindern
Isomol, Movicol, Dulcolax,
Balance
Zucker- und Zuckeralkohole
Lactulose, Lactose, Mannit,
Sorbit
Osmotische Wasserretention im
Darmlumen, bakterielle Spaltung,
Problem der Gasentstehung
Chronische Obstipation, möglich in der
Schwangerschaft und bei Kindern
Bifiteral, Edelweiß Milchzucker
Darmstimuanzien
Bisacodyl, Natriumpicosulfat
Motilitätsfördernd, antiresorptiv und
hydragog
Akute und chronische Obstipation, möglich
in der Schwangerschaft
Dulcolax, Laxoberal
Anthrachinone wie
Sennoside
Motilitätsfördernd, antiresorptiv und hydragog
Akute und chronische Obstipation
MidroTee, Ramend
Rektale Abführmittel
Glycerol, salinische
Abführmittel, CO2-
Entwickler
Stimulierung des Dehungsreflexes
und Defäkationsreizes
Akute Obstipation, Darmentleerung vor
Untersuchungen und Eingriffen
Glycilax für Erwachsene und
Kinder, Klysma salinisch,
Microlax, Lecicarbon
5-HT4-Agonist
Prucaloprid Motilitätsfördernd Chronische Obstipation, bei Erwachsenen,
die mit Laxanzien keinen ausreichenden
Erfolg erzielen
Resolor
Nicht mehr gebräuchlich:
Schwer resorbierbares Glauber- (Natriumsulfat) oder Bittersalz (Magnesiumsulfat) sind für die Daueranwendung nicht zu empfehlen. Sporadisch wird mit den in Wasser aufgelösten Salzen noch eine Heilfasten-Aktion begonnen oder eine schnelle Entleerung vor einer Darmuntersuchung ausgelöst. Rizinusöl wirkt ähnlich wie Bisacodyl, ist aber nicht besonders verträglich. Als Laxans ist Rizinusöl heute ebenso wie Paraffinöl obsolet.

Risiko Langzeitanwendung?
Lange Zeit stand die Vermutung im Raum, dass längerer Gebrauch von Laxanzien schädlich sei und zur Gewöhnung führe. Bei bestimmungsgemäßer Anwendung treten jedoch weder Gewöhnungseffekte und Dosissteigerungen noch Kaliumverluste oder sonstige gravierende Nebenwirkungen auf. Ein Missbrauch von Laxanzien, zum Beispiel zur Gewichtsreduktion, kann Störungen des Elektrolythaushalts hervorrufen. Im Zusammenspiel mit Diuretika sollte man auf eine regelmäßige Kontrolle der Kaliumspiegel achten.

Praktische Tipps:
Exzessives Trinken hat nachweislich keinen therapeutischen Effekt auf den Stuhlgang; dennoch rät die Leitlinie zu einer Flüssigkeitszufuhr von 1,5 bis 2 Litern pro Tag. Zusätzlich sollte auf ausreichende körperliche Aktivität geachtet werden. Ein wichtiger Hinweis für vielbeschäftigte Personen ist es, den Stuhldrang nicht zu unterdrücken und den Toilettengang nicht aufzuschieben. Dieses Verhalten begünstigt eine weitere Verfestigung des Stuhls. Schwangere können mit der Einnahme von Magnesium nicht nur Verspannungen und Magnesiummangel behandeln, sondern profitieren zusätzlich auch von dem leicht abführenden Effekt. Meistens sind weitere Laxanzien dann gar nicht nötig.
Share by: